Das Autorenpaar schreibt herzhaft populär/-istisch (S. 83):
Und so war nun erst einmal Wahlkampf im Heiligen Römischen Reich, und dabei ging es zu wie in der FIFA und dem IOC. Es flossen reichlich Bestechungsgelder
Oft sind das knappe, knackige “Sätze” (S. 14):
Wir brauchen diesen Kampf nicht zu gewinnen, denn er ist schon gewonnen. Von Gott. Für uns. Und wir müssen das nur glauben.
Da gibt’s die “Ketzer-Erledigungsmaschine”, Luthers “Zutexten der Welt” (S. 183) und “die Profis aus Rom” (S. 90). Diese “Profis” (Papst & Co.), schreiben die Autoren auf S. 85,
hatten die revolutionären Folgen des Buchdrucks nicht auf dem Schirm.
Kann man das sagen, wenn es noch keine Bildschirme gab?
Wir erfahren auch, dass Luther eine “verfaulte Strohmatratze” hatte und von seiner Frau “ein anständiges Kopfkissen” bekam.
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Entlaufene Nonnen:
Manchmal geht’s sprachlich auch drunter und drüber, zumindest ich komme mit diesem 88-Wort-Satz von S. 15 nicht ganz klar:
Aus diesem Konflikt kommt der Nobody aus Sachsen nicht mehr heraus, sondern gerät immer tiefer hinein und entwickelt sich dadurch im Lauf der Jahre zum weltbekannten Ketzer, der dem Papst die Stirn bietet, zum Rebellen, der nur noch Gott und dessen Wort als einzige Autorität anerkennt, und darum weder den Tod noch den Kaiser oder irgendeine andere irdische Macht fürchtet, der den Mönchstand als nichtsnutzig und Klöster zu überflüssigen Einrichtungen erklärt, daher seine Mönchskutte auszieht, und verlässt das Kloster – Skandal – eine entlaufene Nonne schwängert und heiratet.
Meine 2017er-TB-Ausgabe aus dem Insel-Verlag hat eine schöne Farbbild-Strecke, doch könnten manche Bildunterschriften klarer sein: So steht unter den Bilder etwas von Katharina von Bora, aber nicht, wer das ist – sicher blättern manche unkundigen Leser zunächst durch die Bilder, ohne schon das Buch gelesen zu haben oder allgemein Luthers Biografie zu kennen.
Frauensachen:
Über längere Buchstrecken bleibt unklar, ob hier Petra Gerster oder Christian Nürnberger texteten. Doch das Kapitel über Katharina von Bora habe (S. 142)
die Autorin aus Anteilnahme am Schicksal der entlaufenen Nonne diesem Buch hinzufügt, um ihr ein wenig Gerechtigkeit widerfahren zu lassen
Hier schreibt offenbar Petra Gerster*. Sie erfindet einen historischen Dialog und sagt:
So oder so ähnlich könnte ein Film über Katharina von Bora beginnen.
Insgesamt schnurrt dieses Kapitel weniger gut geölt durch, die Zeitebenen kullern manchmal (S. 155):
Zudem haben die Luthers außer den eigenen fünf noch 12 Pflegekinder von verstorbenen Angehörigen dauerhaft aufgenommen und beherbergen kurzfristig noch vier Kinder von Eltern, die durch die Pest umkommen.
Dieses ganz ungewöhnlich lange Kapitel, durchsetzt von vielen kleinen Wertungen und frauenrechtlichen Betrachtungen, wirkt wie ein eigener Aufsatz ohne Integration ins Buch. Das Kapitel fügt sich nicht in die sonst streng chronologisch arrangierte Biografie: Gerster behandelt nicht nur die Luther-Ehe, sondern auch Katharinas Nachleben (dies müsste später ein eigenes Kapitel sein), dazu die Rolle der Frau seit biblischen Urzeiten (Paulus, S. 164) über die Französische Revolution (S. 165) bis zur “Amtseinführung Margot Käßmanns 1999 als Bischöfin” (S. 166).
*ein ähnliches Autoren-Outing des Mannes erscheint vor dem letzten Kapitel (S. 193, “versucht der evangelisch-lutherische Autor”).
Weitblick:
Das Frauenkapitel stoppt erst bei Margot Käßmann, dann springen wir wieder zurück zu Luther und (scheinbar, vom Sound her) zum Autor Christian Nürnberger. Er referiert ausführlich Luthers Nachwirkung mit interessanten Fakten und führt Kopernikus, Dürer und den Lukrez’schen Atheismus an. Weiter geht’s mit dem Prager Fenstersprung, dem 30jährigen Krieg und dem Westfälischen Frieden.
Luthers Tintenfleck an der Wartburgwand erscheint hier allerdings schon zum zweiten Mal ausführlich (zunächst auf S. 111, dann auf S. 185, eine störende Doppelung).
Freie Assoziation:
- Die dicke Luther-Bio von Lyndal Roper wirkt weit abstrakter, wissenschaftlicher, für eine völlig andere Zielgruppe.
- Wenn Biografinnen in die Tasten hauen, erscheint nicht nur der berühmte Mann im Buchtitel, sondern auch seine interessante Frau, z.B. Katharina von Bora im Luther-Buch oder Isabel Burton im Buch über den Entdecker Richard Francis Burton (zu schweigen von speziellen Büchern über Frau Churchill oder Frau Nabokov).
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