Kritik Sachbuch: Polarliebe. Leidenschaftliche Briefe und Geschichten aus dem ewigen Eis, von Sigri Sandberg und Anders Bache – 4/10

Und wirst du nicht kommen, so werden wir uns doch wiedersehen.

Eva Nansen an Fridtjof (Seite 52)

Fazit:

Sprachlich schwach, viele Kapitel ohne direkten Bezug zu einem der Pole, sondern nur irgendwie weit nördlich angesiedelt, und ohne Drama, entgegen dem Untertitel teilweise fast ohne Briefzitate. Viele Geschichten erfüllen nicht die Erwartungen, die Buchtitel und Untertitel wecken.

Laut Untertitel bringt das Buch “Leidenschaftliche Briefe und Geschichten aus dem ewigen Eis”; doch die Geschichten sind nur 10 bis 25 Seiten lang und dabei noch luftig ge- und mit Fotos und Kartenskizzen durchsetzt.  Briefauszüge nehmen teils nur ein paar Zeilen ein, etwa bei Robert Peary.

Bei Roald Amundsen belegen die Briefe mehr Platz, aber sie scheinen von einer rein platonischen Freundin zu stammen, es gibt keine Antworten und keinen Bezug zum ewigen Eis.

Voller Briefe und Platitüden ist das Nansenkapitel. Die Briefe wiederholen sich unerträglich und beschwören repetitiv eine himmlische Zukunft in zwei oder fünf Jahren, es gibt keine Entwicklung und kein Drama. (Vielleicht spart das Buch auch interessantere Briefpassagen aus und bringt nur die Sülze.)

Auf Nansen folgt Hansen – ein Fallensteller auf Spitzbergen ohne Interesse am Nordpol und ohne viel Drama, ebenso wie Ewald Schmutzler und seine Ilse, ein zudem komplett briefloses Kapitel. Auch der Engländer Lonsdale krebste nur im amerikanischen Norden herum, ohne ernsthaft zum Pol zu streben – Frau und Geliebte blieben in England, eine weitere besonders schwache Geschichte.

Die “53 Frauen” von einem weiteren Untertitel existieren nur auf einer anonymen Postkarte, welche die Fantasien gestrandeter Polareroberer erhitzt. Die Schicksale von Scott Amundsen und am Rand auch Nansen sind verflochten, werden aber völlig getrennt erzählt. Scott und seine Kathleen schreiben die interessantesten Briefe – schmalzig wie die anderen auch, dabei intelligent und auf Unabhängigkeit bedacht.

Was deutlich wird: die Polarforscher hatten ein gigantisches Ego – heirateten (mehrfach mit rund 15 Jahren Altersunterschied), zeugten Kinder und entflohen dann für Jahre ins ewige Eis, Rückkehr ungewiss. Sie versprachen Häuslichkeit und happy ever after, und segelten doch nach einer Stippvisite am heimischen Herd wieder davon – sie sekretierten gleichwohl genauso schmalzige Episteln wie ihre Frauen. Robert Peary unterhielt gar eine Parallelfamilie auf Grönland. Die Frauen schmachteten ihre Helden ergeben an, selbst wenn sie gegen ihren Willen zu Hause bleiben mussten und von Seitensprüngen wussten.

Das erste Kapitel zum Grönland-Erforscher Josef Peary zeigt eine karge Grönlandskizze mit ein paar Ortsnamen – doch einige Orte aus dem Lauftext fehlen dort. Die Autoren bringen ein paar Bilder aus einem Buch von Peary, auch dessen Frau, die in Grönland das gemeinsame Kind “Schneebaby” zur Welt brachte; jedoch die lachende Inuit Aleqasina, eine außereheliche Peary-Affäre, beschreiben die Autoren lediglich – Peary fotografierte und druckte sie offenbar nur mit Schmuck am Leib, aber wir sehen nicht einmal ihr Gesicht.

Sprachlich unterwältigt das; ich weiß nicht, wieviel davon Karoline Hippes Übersetzung aus dem Norwegischen anzulasten ist. Was halten Sie etwa davon:

Zu diesem Abschnitt der Tour liegen verschiedene Berichterstattungen vor (S. 107)… den ganzen langen, dunklen Winter lang (Seite 164)… Holz wurde gekappt (Seite 163)…

Dazu gibt’s mehrfach Dativ-e (“im Jahre”) und wilde Tempiwechsel zwischen Gegenwart, Futur und Vergangenheit. Und was ist ein “Zivilingenieur” (Seite 121); hilfloses Denglisch?

Das norwegische Original wurde offenbar nur ins Deutsche übersetzt, aber nicht ins Englische (Stand Juli 2024).

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