Rezension: Planet Germany, von Cathy Dobson (Auswanderungsbericht 2007) – 4 Sterne

Dobson rattert einen gut geölten Reigen aus Anekdoten und Festivitäten herunter, sehr leicht lesbar, dabei zuviel abgehangene Phrasen und zuwenig Sophistication. Öfter wirkt es wie flacher Slapstick: gleich zweimal schildert Dobson eigene Stürze in den Dreck und das anschließende Gelächter ihrer Umwelt; dazu mehrere unappetitliche Unfälle mit Haustieren. Weil sie den Verlauf eines einzelnen Jahres berichtet – samt Sylvester, Karneval, Ostern, Tanz in den Mai, Schulferien, Helloween, Martinstag, Nikolaustag, Adventskalender, Weihnachten usw. – wirkt das Ganze teils zu vorhersehbar und uhrwerkartig (verblüffend, dass Aprilscherze und Strandbäder fehlen).

Die Geschehnisse im Buch (laut U4 ein “Roman”) setzen ein, als Engländerin Dobson bereits seit über zehn Jahren mit englischem Mann, drei Kindern und mehreren Katzen in Deutschland lebt, aktuell in Düsseldorf-Meerbusch. Das Paar zog aus rein beruflichen Gründen nach Deutschland. Die 39jährige Ich-Erzählerin konzentriert sich stark auf ihren Familienkosmos samt Katzen und Garten. Sie hat, aufgrund ihrer Familien- und beruflichen Situation und weil sie schon über zehn Jahre im Land ist, weniger Eingeborenen-Kontakt und Orientierungsschwierigkeiten als andere Auswanderer, die allein in der Fremde ankommen und alle(s) erst entdecken.

Dobson ist zudem selbständig gemeinsam mit ihrer besten Freundin Birgit – einer Deutschen, die ebenfalls einen Engländer heiratete. Andere Nachbarn stammen aus Jamaika und Holland. So hat sie auch auf der Arbeit und in der Nachbarschaft weniger mit Ureinwohnern zu tun.

Wegen des Buch-Konzepts schreibt Dobson nichts von ihren allerersten Deutschland-Eindrücken – erste Behörden, Bekanntschaften, Spracherwerb, auch Romanzen gibt es nicht; nur ihre zurückliegende Heirat mit einem Engländer in Deutschland schildert sie ausführlich als Bürokratie-Hürdenlauf (eine staunende erste Ankunft in Deutschland beschreibt ausführlich der amerikanische Zuwanderer David Bergmann, wenn auch oft ähnlich derb schenkelklopfend wie Dobson; interessanter wirkt das Deutschland-Entree von Luigi Brogna).

Dobson bemüht sich erkennbar, allgemeinere Themen wie deutsche Schwiegermütter oder deutsche Ordnung an passender Stelle im Jahreszyklus zu erörtern, auch wenn es kein konkretes Erlebnis dazu gibt. Manchmal verallgemeinert Dobson sogar komplett, ohne eine einzige persönliche Erfahrung anzuführen – so bei den angeblich generell dominant-kontrollsüchtigen deutschen Schwiegermüttern (nur Dobsons englische Schwiegermutter ist viel besser) oder den besessen krankfeiernden deutschen Angestellten. Im letzten Drittel klingt Dobson freimütig schwadronierend oder verächtlich und will das Buch scheinbar nur noch zu Ende bringen, etwa zu den Themen deutsche Körperbehaarung, deutsche Nacktheit in der Öffentlichkeit (das treibt auch Berlin-Besucher João Ubaldo Ribeiro um), deutsches TV-Programm und deutsche Damen mit Dackel.

Mit Ordnungsamt und Mülltrennung hat Dobson ihre Schwierigkeiten. Teils berichtet sie auch ausführlich von ihren Katzen und ihrem Garten. Bei Karneval und Tanz in den Mai erscheinen die Deutschen wie drastische, bierkippende Knalltüten, die zudem keinerlei Ironie verstehen und höchstens Schadenfreude beherrschen (seltsam, dass Dobson das auch im englischen genutzte Wort Schadenfreude nicht bringt, obwohl sie viele andere deutsche Wörter kursiviert einstreut). Differenziert und illustriert mit persönlichen Erfahrungen schreibt Dobson nur über Duzen und Siezen – nach ihrer (und meiner) Erfahrung für Deutsche praktisch genauso schwer verlässlich anzuwenden wie für Nicht-Muttersprachler.

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