Voraussetzung für dieses Buch sind gute Kenntnisse der deutschen Geschichte ab 1914 und intensives Interesse an Sebastian Haffner (1907 – 1999). Weder Geschichtliches noch Persönliches schildert Haffner durchgehend und genau – der erste Teil ist ein grober historischer Abriss von 1914 – 1932, der zweite ein persönlicher Bericht von 1933. Viel gelernt habe ich nicht, allenfalls Anregungen für weitere Lektüre mitgenommen. Das Buch war sehr erfolgreich, auch in der englischen Fassung Defying Hitler.
Die handwerklichen Schwächen fallen deutlich auf, so die heterogene Konstruktion:
Der „Prolog“ belegt gut 83 von 281 Seiten Haupttext und rafft die Jahre 1914 – 1932 politisch zusammen, fast ohne persönliche Erlebnisse. Haffner klotzt mit breitem Strich und feuert markige Urteile ab. Verallgemeinerung statt Detail, von Erinnerungen (so der Untertitel) kann nicht die Rede sein.
Dabei schreibt Haffner unverwechselbar markant, oft leicht lesbar bis mitreißend, gelegentlich auch in markige Tiraden entgleitend, nur eben nicht allgemein informativ. Geschichtliche Hintergründe will man heute ohnehin nicht einem Buch entnehmen, das hauptsächlich 1939 unter schwierigen Bedingungen im englischen Exil verfasst und zugunsten eines anderen Projekts (Germany, Jekyll & Hyde) beiseitegelegt wurde.
Dem 80seitigen „Prolog“ folgt ausführlich das Jahr 1933 – hier in einem ganz anderen Stil: nicht nur detailliert auf ein Jahr eingehend, sondern erstmals auch ausführlich mit persönlichen, gut erzählten Erlebnissen, die das Eindringen des Nationalsozialismus in alle Lebensbereiche beklemmend schildern; Haffner beschreibt sich selbst als Mitläufer wider Willen. Dies ist das eigentliche Buch. Der „Prolog“ wirkt im Rückblick wie ein überflüssiges Vorwort. Dieser Teil dient als Grundlage zum 2013er-ZDF-Film Mein Kampf mit Hitler.
Auch sprachlich unbefriedigend:
Immer wieder verwendet Haffner Ausdrücke wie „heute“ oder „in dieser Zeit“, so dass man sich erst die Entstehungszeit des Buchs vor Augen halten muss. Mehrfach erwähnt Haffner Personen oder Redaktionen ohne Namen, offenbar um sie vor den Nazis zu schützen; in seiner kurzen Überarbeitung nach 1945 hätte er die Stellen konretisieren können. Er kredenzt kaum verständliche, auf jeden Fall überflüssige Anglizismen („vindizieren“, „intrikat“, „Hazard“ etc.).
Haffner selbst schrieb dieses Buch unter teils schwierigen Umständen im englischen Exil, einige abhanden gekommene Teile wurden erst später wieder angestückt. In meiner dtv-Ausgabe von 2002 erzählt Haffners Sohn Oliver Pretzel die schwierige Geschichte der Druckfassung.
Haffner selbst hat das Buch nie veröffentlichen wollen. Er wusste wohl, warum.
- Rezensionsnotizen zu FR, NZZ, taz, Zeit und SZ bei Perlentaucher
- Wikipedia zum Buch
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