Rezension Kurzgeschichten: Eine Vielzahl von Sünden, von Richard Ford (2002, engl. A Multitude of Sins) – 7 Sterne – mit Presse-Links

In allen Kurzgeschichten spielt Ehebruch eine Rolle, gelegentlich nur als Nebenaspekt. Die meisten Kurzgeschichten haben rund 30 Seiten, einige sind deutlich kürzer, eine entpuppt sich gar nur als Witz, die letzte Geschichte geht über 65 Seiten (ich kenne nur das englische Original und kann die deutsche Übersetzung nicht beurteilen).

Ford beschreibt meist intelligente Anwälte, Polizisten oder Immobilienmakler, deren Liebesleben unrund läuft. Sie wirken oft sich selbst entfremdet, und Ford schreibt grob, männlich; Liebe und Beziehung sind nichts als Gerammel – alles lieblos und trostlos. In den Dialogen lernt der Leser die Figuren gut kennen, allerdings erschienen mir die Dialoge in der Geschichte Abgrund/Abyss willkürlich und unverständlich.

Mitunter handeln die Personen auch wenig nachvollziehbar; so beichtet eine Frau ihren Ehebruch im offenkundig ungünstigsten Moment – aber natürlich entsteht dadurch eine Spannung, die den Leser in der Geschichte hält. Die hinteren Geschichten wirkten schwächer, oder vielleicht war ich auch ermüdet. Gleichwohl bleiben die Figuren länger im Gedächtnis, runden sich die Stories besser als in Fords früherem Kurzgeschichten-Band Rock Springs.

Richard Ford schreibt hier überwiegend in der dritten Person, und keine Geschichte liefert das mild spöttische Parlando des Ich-Erzählers aus Fords Frank-Bascombe-Reihe. Es gibt aber ein paar Bascombe-Motive, so die Immobilienhändler aus New Jersey im Text Abgrund/Abyss und das immobiliensuchende, künstlerisch angehauchte Paar in Charity. Der Jagdausflug mit einem jugendlichen Ich-Erzähler und seinem Vater erinnert etwas an die Erzählung Eifersüchtig, auch Teil des Bands Women with Men, und an die Kurzgeschichte Great Falls und viele weitere Szenen aus der Sammlung Rock Springs (1987).

Englische Rezensionen:

Zwei Jahre, nachdem Colson Whitehead Fords Multitude of Sins in der NYT verriss, spuckte Ford ihm ins Gesicht, und das hielt Ford auch Jahre später für gerechtfertigt (Schilderung, Volltext des Verrisses).

New York Times:

There are a multitude of personality deficits on display… The characters are nearly indistinguishable.

Kirkus Review:

The weakness of these stories (and Ford’s signal failing as a writer) is monotony. His characters almost all act and sound essentially alike

Publishers Weekly:

((Über Abyss/Abgrund:)) Ford’s execution is flawless; this story has a canonical heft to it, bearing comparison to the best of Flannery O’Connor.

Guardian:

in story after story, middle-aged men and women forge a path through the heady, orgasmic deceits and wonder why they still feel unfulfilled and disengaged

Deutsche Pressestimmen:

FAZ:

Man liest immer weiter, in Bann gehalten von der immensen Sorgfalt, mit der Ford erzählt, dem Rhythmus, der in seinen Sätzen schwingt

NZZ:

…mehr oder weniger gut geölten Austausch von Phrasen… Bittere, aber kluge Einsichten.

Zeit:

Es kostet einige Mühe, sich in diesen Berg von Geschichten hineinzukämpfen, man tut es staunend und bewundernd, verwirrt und zuweilen auch verärgert.

 


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