Rezension: Der Mörder, von Georges Simenon (1937) – 7 Sterne

Ein dröger Kleinstadtarzt knallt seine Frau und ihren reichen, eleganten Liebhaber ab, dann holt er sich das Hausmädchen ins Bett. Der Roman dreht sich jetzt darum, ob die Tat auffliegt, wer dem Arzt einst die Untreue seiner Frau kolportierte und wie er mit einem überraschenden Hausgast umgeht (O-Titel L’assassin, verfilmt 1979).

Georges Simenon (1903 – 1989) schildert die niederländische Kleinstadt und ihre Figuren sehr stimmig, mit markanten Details. Er schreibt wie immer knapp und trocken, bringt unspektakuläre Dialoge –  ganz ohne Rückblenden, komplizierte Perspektivwechsel und sonstigen Firlefanz. Simenon erzählt personal, aber nicht völlig konsequent in der dritten Person aus Sicht des Arztes.

Eigentlich ist das recht spannend – wird der Arzt die polizeilichen Untersuchungen überstehen, kann er überzeugend den trauernden Witwer geben? Allerdings untersuchen die Behörden das mangelnde Alibi des Täters nicht richtig, und er gleitet zunehmend ins Psychotische ab. Das Ende überrascht, und sei es nur, weil es so schwach ist.

Das Szenario des Mörders, der sich nicht versteckt, erinnert etwas an Patricia Highsmith, etwa an ihre Ripley-Bücher. Letztlich gefällt mir Highsmith etwas besser, sie scheint nachdenklicher und genauer zu sein, ihre Figuren sind nicht ganz solche Langweiler. Ein Teil meiner Simenon-Vorbehalte kommt womöglich auch daher, dass er insgesamt zuviel schrieb, Lektorat ablehnte, die Romane immer gleich lang sind und gleich klingen.

Simenons Nicht-Maigret-Krimi Der Mörder zeigt Parallelen zu seinem Roman Fremd im eigenen Haus (1940): In beiden Fällen agiert ein eigenbrötlerischer Kleinstadtakademiker mit Hang zu Burgunder, selbständig ohne Geldprobleme, dessen Haus ungeahnte Gäste beherbergt (dies auch in einer Lorrie-Moore-Kurzgeschichte und als wahre Geschichte im Guardian), und schnöselige Neureiche lassen sich in ihren neiderregenden Protzvillen von Maîtres d’hôte bedienen.

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