Kritik Reiseführer: Thailand – der Norden, von Sandra Wohlfart (Michael Müller Verlag, 1. Auflage 2022)

Thailand

Dies ist die 1. Auflage von Oktober 2022, und eine erste Auflage ist nie ideal (ich war vor Ort Dez-Januar 2022-23). Auf jeden Fall liefert das MM-Buch mehr Inspiration für Nordthailand als die anderen, auch englischen Reiseführer, die auf ähnlich vielen Seiten das ganze große Thailand behandeln und sich teils auf die überfüllten Strände konzentrieren.

Formulierungen, Reiseführer-Deutsch:

  • Ausdrücke wie “der Tempel auf der anderen Seite des Museums” in Nan-Stadt sind völlig unklar, auch wenn die Karte im Buch die Sache klärt; bitte generell Himmelsrichtung angeben wie “direkt östlich vom Museum” (so wie grundsätzl. im Lonely Planet) oder mindestens einen Bezug wie “auf der anderen Seite der Hauptstr.”, falls es nur 1 Hauptstraße auf 1 Seite gibt
  • Einmal sagt die Autorin, ein Musiklokal liege “gleich hinter” einem empfohlenen Hotel (S. 184). Das ist viel zu ungenau, zumal man den Weg im Dunkeln gehen/fahren würde. Zwar kann man die Entfernung auf dem Ortsplan grob abschätzen (wie auch in einer Onlinekarte), aber hier gehört unbedingt eine Distanzangabe dazu – es sind 300 Meter, das ist für mich nicht “gleich hinter”.
  • Bei Touren wird nur 1 Fahrtrichtung beschrieben, z.B. “…mit der Straße 1026 fährt man nach links” (S. 195); die Beschreibung sollte für beide Fahrtrichtungen funktionieren
  • Im Lauftext zu Nan steht: “Am 7/11 neben dem Weißen Tempel” – lieber statt “Weißem Tempel” den offiz. Namen “Wat Ming Muang” verwenden (nur der wird im Buch gefettet und erscheint auf der Karte). Dann findet man das viel schneller und muss nicht erst nachdenken, welcher Tempel im Text als weiß beschrieben worden war
  • In Nan-Stadt empfiehlt Wohlfart eine Massage in einem teuren Resort, auch in anderen Orten empfiehlt sie Massagen; gut so. Die Preise für diese Dienstleistung schwanken jedoch dramatisch. M.E. sollte die Autorin immer als Preisbeispiel “1 Stunde Thai-Massage” angeben – das gibt’s überall, und man kann auf die sonstige Preisstruktur schließen

Inhaltliche Irritation:

  • mal Prik, mal Prink in Lampang (S. 208 vs. 212, korrekt Prink (aber “prik” heißt “chili”)
  • auf S. 159 ein Querverweis auf S. 62, korrekt ist 162
  • Seite 192 in Nan: “Phuka Silver… liegt an der Ausfallstraße 101” – falsch, es liegt an der 1092, auf MM-Karte ist es richtig
  • Seite 274: “Von Tak ist es nicht weit nach Sukothai, unterwegs passiert man den Doi Muser Market” – falsch
  • die Nan Riverside Art Gallery liege “ca. 10 km vor Nan an der Straße 1080” (S. 190). Ab Nans zentralem Tempelbezirk sind es jedoch mind. 22 Kilometer (Route auf GMaps); außerdem sollte sie nicht nur die Straßennummer, sondern auch eine Himmelsrichtung dazunennen, das erleichtert die Planung von Ausflügen
  • Wat Doi Prachan wird überschwänglich empfohlen, ohne zu erwähnen, dass der Tempel mittwochs zu ist; ich bin natürlich an einem Mittwoch der Empfehlung gefolgt, 30 km mit dem Fahrrad durch die Felder, dann den Tempelberg hoch, dann ein verschlossenes Tor. (Und dann äußerst freundliche Angestellte.)
  • Beim Champatong-Wasserfall empfiehlt Sandra Wohlfahrt “gutes Schuhwerk auf den glitschigen Felsen” (S. 162). Dass man auch wackelige Holzleitern bezwingen muss, die im Wasser stehen, sagt die Autorin nicht.
  • In Nan: Unterscheidung zw. Nan Noble House, dem Resto, und Nan Noble House, dem Museum, sollte in Text und Kartenlegende viel deutlicher werden, um Konfusion zu vermeiden

Deutsch, wo man Thai braucht:

Mehrfach lobt die Autorin Thai-Gerichte nur mit deutschen Wörtern. Um die bestellen zu können, braucht man aber das Thaiwort, das sie unbedingt transkribiert (und am besten auch in Thaischrift) wiedergeben müsste. Beispiele:

Sehr gut der frittierte Wasserspinat mit scharfer Sauce, dazu sonnengetrocknetes Rindfleisch

Soll ich das auf Deutsch mit diesen Worten bestellen? Oder in Google Translate eingeben? Oder hinten im Buchglossar wühlen? Das gilt auch für die brühwarme Empfehlung:

Wohlbekannt sind unter Thais die Sukhothai-Nudeln, eine Reisnudelvariante…

Warum nennt sie nicht den allgegenwärtigen, sehr nützlichen Thai-Ausdruck “kuatiao” oder “kuatiao Sukhothai” dazu? Seltsamerweise erscheinen im nächsten Absatz Gerichte in transkribiertem Thai (“Khanom Kliao Kru Aceo”, “Lon Sin”); nur das kann man vor Ort leicht suchen und bestellen. In Phayao (S. 161) ist der

gebratene Fisch mit Mangosalat sehr zu empfehlen, dazu Reis mit Krabbensalat.

Nur Thaisprecher können sich das leicht bestellen.

Aufdringliche Fototipps:

  • „einen wunderschönen Blick auf die Umgebung… ein toller Ort, um Fotos zu schießen“ (ach ja?)
  • “hier erschließen sich tolle Fotomotive” (Sukhothai)
  • “liefert tolle Fotomotive zum Sonnenuntergang” (Sukhothai)
  • “bietet ein schönes Fotomotiv” (Sukhothai S. 279)
  • “liefert tolle Fotomotive zum Sonnenuntergang” (ebf. Sukothai S. 279)
  • “ist ein tolles Fotomotiv” (Vongburi House S. 219)
  • “bieten schöne Fotomotive” (S. 224)
  • “in dem hübsch angelegten Garten finden sich viele Fotomotive”

Das erinnert an die “Hier knipsen”-Schilder von Kodak und an unkontrollierte Knipserei. Man wundert sich fast, dass die Ausdrücke “selfie” und “Instagram” nicht fallen.

Nette Leute:

Mehrfach meint man, nette Geschäftsleute präsentiert die Autorin besonders gern, z.B. in Phayao, S. 161:

…ein kleiner Laden… nette Ware (sic), die freundliche Besitzerin spricht Englisch

Oder bei der einzigen empfohlenen Unterkunft in Chiang Kham:

freundlicher Besitzer mit indischen Wurzeln mit sehr gutem Englisch…

(Just dieser Besitzer sorgte lt. meinen Quellen aber dafür, dass das 300 m entfernte, von Sandra Wohlfart ebfl. empfohlene Musiklokal Rom Mai Sang Chan nur noch dünnen Akustikfolk und keine ausgewachsene Band mehr präsentieren darf.)

Sprachliche Irritation:

Die Autorin schreibt öfter, als sie ob mit Freunden in der Kneipe säße. Das gilt nicht nur für ihre banalen Fototipps (s.o.), sondern auch für unschöne Ausdrücke wie

  • „Fressbuden“ (mind. S. 209)

Zuviel Englisch oder Denglisch, z.B.

  • “Farmerin” (S. 210)
  • “gleich bei der Railway Station” (S. 212)

“Bäuerin” und “Bahnhof” geht wohl nicht?

Banalitäten:

Viele Anmerkungen sind in einem Reiseführer völlig überflüssig, da selbstverständlich. Z.B. S. 298:

Am mobilsten ist man mit dem eigenen Fahrzeug. ((Ach ja?)) Phetchabun hat einen Busbahnhof und wird von Bangkok ebenso angefahren wie von Chiang Mai.

Der Verlag hätte das so kürzen sollen:

Phetchabun hat Busverbindungen nach Bangkok und Chiang Mai.

Den freien Platz könnte man mit Zahl, Dauer und evtl. Kosten der Busfahrten füllen. Gähnalarm auch in Chiang Kham (S. 183f):

Im Ort herrscht provinzielles Treiben. Auf den Märkten werden die landwirtschaftlichen Produkte des Umlands verkauft ((hört, hört)) und unter der Woche… wuselt es in den schmalen Gassen… Tempel zu bieten, die man bequem  mit dem Auto erreicht… Die Straßen sind gut ausgebaut und leicht zu befahren, die Straßenbeschilderung ist auch in Englisch

In Thailand erreicht man alles bequem mit dem Auto und mit englischer Beschilderung, das muss nicht in einer Einzelbeschreibung stehen, sondern allenfalls in der Einführung; “provinzielles Treiben” und “Wuseln” sind komplett überflüssig.

Dazu kommen banale Bildtexte. Unter einem Foto mit Pferdedroschke steht:

Pferdedroschken gehören in Lampang zum Stadtbild.

Ach so.

Reiseführerin verführt:

Reiseführer-Autoren loben gern Unterkünfte, die schick aussehen und einen netten Besitzer haben. Da haben sie bei der Inspektion eine gute Zeit, vielleicht auch Kaffee oder Kaltgetränk. Ob diese  Unterkünfte praktisch sind, prüfen die Autoren nicht, selbst wenn sie es auf einen Blick erkennen könnten. Das gilt auch für das mm-Buch über Thailands Norden mindestens im Fall vom Mango House in New Sukhothai, vorgestellt als besonderer Tipp:

sehr freundlicher Besitzer… Liebevoll gestaltete Bungalows in frischen Farben auf Stelzen, über einen Holzsteg miteinander verbunden. Alle mit AC, Kühlschrank und Wasserkocher ausgestattet

Und womit sie nicht ausgestattet sind, bemerkt die Autorin nicht: Es gibt kein Regal, keinen Schrank, nur eine Kleiderstange mit ein paar Bügeln, so dass man praktisch aus dem Koffer lebt. Im Badezimmer nicht ein Haken – zu zweit ist das kaum bewohnbar. Die kleine Bungalow-Terrasse hat keine Steckdose. Im Zimmer ist der Strom weg, sobald man mit dem Schlüssel ausgeht. Längere Aufladungen oder Up- und Downloads in Abwesenheit sind so unmöglich. (Natürlich kann man statt Schlüsselanhänger eine Sukhothai-Eintrittskarte in den Stromschlitz stecken.)

Der Holzbau ist so unnachhaltig konstruiert, dass man wegen der enormen Aufheizung tagsüber kaum ohne die starke, leise Klimaanlage auskommt. Im Badezimmer mit Minifenster springt unvermeidlich eine dröhnende Entlüftung an, obwohl natürliche Lüftung leicht möglich gewesen wäre. Zwar gibt es für die Schlafzimmerfenster Fliegengitter, so dass man quer lüften könnte; aber Fliegengitter, Glasfenster und Vorhangstangen blockieren sich gegenseitig, so dass es ein zu umständliches Gefummel ist.

Parken erfordert sehr viel Rangieren, und Zugeparktwerden ist vorprgrammiert in dem schlauchartigen Areal. Geht jemand über den Holzsteg, der die Bungalows wie beschrieben verbindet, wackelt alles. Zumindest auf der Terrasse hört man das Dröhnen der nahen Swimmingpoolpumpe; am Pool sitzen auch spät nachts Gäste und Angestellte und verrichten ihren Medienkonsum und ihren Duschbedarf in Hörreichweite. Das WLAN ist mal okay, mal langsam, öfter aber weg – ein Spaß für alle, die am Laptop ihr Geld verdienen und sich auf das Gratis-WLAN verließen.

Dafür bekommt die Unterkunft also das mm-prädikat “mein Tipp”.

Gute Restaurants außerhalb:

Mehrfach grämte ich mich, weil die Autorin etwas snobistisch gern Restaurants empfiehlt, die nur Leute mit Auto oder mindestens Fahrrad erreichen (verlässliche Taxis gibt es in der nordthail. Provinz wenig). Doch ich hatte beide Gefährte und genoss erfreut einige dieser empfohlenen Restaurants, u.a. Mallangpor in Chiang Kham und das Sweet Rice Café nh. Sukothai Historical Park.

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