Kritik Teil-Biografie: Young Titan, The Making of Winston Churchill, von Michael Shelden (2013) – 8 Sterne

Churchill

Michael Shelden behandelt nur den jungen Churchill zu Beginn seiner politischen Karriere: die Jahre 1901 bis 1915, als Churchill 26 bis 40 Jahre alt war. Churchills frühe Kriegsabenteuer in Indien, Sudan, Kuba und Südafrika fehlen ebenso wie seine Zeit als Premierminister im zweiten Weltkrieg. Zwar endet Shelden kurz nach der Gallipoli-Dardanellen-Katastrophe 1915, doch mit dem Krieg befasst er sich auch hier kaum (er liefert auch keine Karten, das interessiert ihn nicht).

Michael Shelden (*1951) schreibt stimmungsvoll evokativ, ohne zu sülzen, sehr flüssig, fast fühlt man sich mittendrin statt nur dabei. Ziel der Biografie, sagt Sheldon, sei “exploring the heart of that personality” (S. 12). Und so schreibt Shelden relativ wenig über britische Tagespolitik, aber viel über Winston Churchills Auftreten und seine frühen Lieben (Shelden berichtet aus diesem Bereich Neues und wenig Bekanntes, laut Eigenaussage).

Der in seiner Graham-Greene-Biografie so zynische Shelden hechelt den jungen Churchill fast an, lobt seine Sozialprojekte als Handelsminister, zitiert einen Churchill-Liebesbrief an dessen Frau und schmachtet danach ergriffen:

He meant every word of it, unusual though that was for a politician of his age and ambition.

Schon im Buchtitel ist Churchill ein “young titan”, innen im Buch dann noch “the boy wonder of British politics”.

Zudem  delektiert sich Shelden köstlich an exzentrischen Randfiguren, Apercus und polyamouren Frauen:

a young woman of ordinary desires who always found it hard to limit her interests to one man… Ettie had little trouble snaring a man’s heart when she lowered her gaze seductively…

Über Churchills Amimami:

On one wrist she had a ‘dainty tattoo’ in the form of a serpent… tact wasn’t usually her strong point… ((als 2. Mann)) she had married one of the handsomest bachelors in England, who was a good twenty years her junior… She was known for her low-cut costumes with pretty flowers pinned to her bodice and other shimmering frills.

Fast meint man, der Amerikaner Shelden möchte seine Landsleute mit den Kuriositäten der schrillen Engländer amüsieren, auch wenn die zur Churchill-Sache nicht viel beitragen.

Nur ganz ausnahmsweise begegnet eine schlechte Formulierung wie auf Seite 162:

Churchill was troubled by Kenya, where he saw trouble brewing.

Shelden nennt seine Protagonisten mal beim Vor-, mal beim Nach- und mal bei beiden Namen. So heißt über Churchill und Joseph Chamberlain:

Winston was headstrong and overbearing, but so was Joe.

So schreiben die Amis, aber es behagt mir nicht.

Zu einigen interessanten Zitaten liefert Shelden keinen Quellenbeleg mit – schlecht.

Assoziation:

  • Literaturprofessor Michael Shelden schreibt hier ähnlich atmosphärisch und teils deftig, aber weit weniger maliziös als in seiner Graham-Greene-Biografie. Selbst aus Churchills frühem Kontakt zu “music hall girls… of easy virtue” kann er nichts Schlüpfriges ableiten. Da musste Graham Greene anderes erleiden.
  • Wiki Michael Shelden, mit Pressestimmen zu seinem Churchillbuch

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