Es sind nicht nur platte Schwänke. Die Kurzgeschichten bieten eine gewisse Substanz und Erdung, ich habe öfter gelacht und geschmunzelt. Astrid Lindgren kredenzt auch interessante Missverständnisse und Ambiguitäten. Gelegentlich liefert Astrid Lindgren Querbeziehungen und Fortsetzungen einzelner Episoden zwischen verschiedenen Geschichten, vor allem im dritten Band.
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Dick und doof:
Trotzdem musste ich nach ein bis zwei Michel-Geschichten jeweils etwas “Erwachsenes” lesen: zu viel Michel en suite vertrage ich nicht, obwohl mir die Stories gefallen: Köpfe treffen zu oft auf Suppenschüsseln, es klingt inhaltlich und stilistisch teils gleichförmig.
Insonderheit Episode 1 aus Band 2, “als Michael Blutklößeteig über seinen Vater ausgoss und sein hundertstes Holzmännchen schnitzte”, ist mir zu slapstick, und es fliegen zu viele gefüllte Töpfe in Vaters Gesicht (der rein zufällig hereinspaziert). Und gleich in der darauffolgenden Geschichte segelt Michel
mit dem Kopf genau in die Blaubeersuppe
Bald danach landet eine “große Sahnetorte”
mitten im Gesicht des Bürgermeisters
Hoho. Das ist ein bisschen dick aufgetragen und doof, Töpfe und Köpfe kollidieren zu oft in den ersten 2 Bänden. Nach meinem Empfinden haben die drei Geschichten aus dem zweiten Band mehr Klamauk als die Geschichten aus Band 1 und 3. In Band 2 baut Michel auch eine Wolfsfalle, und allzu viele Zaunpfähle deuten an, dass in der Falle bald ein Zweibeiner landen wird. Dieselbe Geschichte bringt gleichzeitig Ironie und romantische Andeutungen über die Diener Alfred und Lina, die mich amüsiert und fast gerührt haben, ebenso wie das beschauliche Ende; Zehnjährige verstehen oder goutieren das vielleicht nicht.
Gelegentlich gelten die Michel-Geschichten als Beispiel für Sozialrealismus; das kann ich nicht nachvollziehen: erhellend viel gesellschaftliches, historisches Detail über Dorfleben und Landwirtschaft steckt nicht in den Vertällchern. Oder vielleicht doch, aber man nimmt es wegen Michels permanenter Pleiten, Pech und Pannen nicht ernst?
Sprache:
Die Übersetzung von Karl Kurt Peters klingt zumeist vollmundig, ein wenig nach der wörtlichen Rede eines freundlichen Erzählers, kindgerecht, knorzig und ist eine Freude zu lesen. Nur ausnahmsweise stolperte ich über befremdliche Sätze wie
”Ich hab noch ein Fünf-Öre-Stück bei mir zugute.”
(Michel hat die Münze im Bauch, und sie gehört ihm.) Den “Tischlerschuppen” würde ich vielleicht “Holzwerkstatt” oder “Schreinerwerkstatt” nennen. Außerdem bringt Peters die schwedische Öre im 3. Band als Neutrum:
…nicht das kleinste Öre
Reime und andere Sprachspiele überträgt Karl Kurt Peters so gewandt ins Deutsche, dass man denkt, die Autorin hätte direkt in dieser Sprache geschrieben. Nicht oft gefällt mir überhaupt irgendeine Übersetzung.
Verräterische Zeichnungen:
Die vielen SW-Zeichnungen erinnerten mich vag an e.o. Plauen, der jedoch minimalistischer skizziert, und an Wilhelm Busch. Die Michel-Eltern sehen auf den Zeichnungen wie Großeltern aus.
Die Zeichnungen spoilern teilweise: man liest links auf der Doppelseite von einer heiklen Situation und erspäht rechts bereits ein Bild, wie Michel vom Steg fällt; das war zunächst nicht klargewesen (auch wenn Michael generell jede Gelegenheit zu einer Panne wahrnimmt). Besonders auffällig ist das Spoilern durch Bilder im dritten Band beim Zähne ziehen: noch bevor man auf der linken Seite liest, wie hanebüchen Michel die Magd Lina vom schmerzenden Zahn befreien will, sieht man rechts die schmerzhaften Zeichnungen – man kann sich den Text sparen.
Ohnehin ist manchmal ist ein Bild besser als seine Verschriftlichung. Zum Beispiel bei diesem Satz gefiel mir das Bild gut, auch wenn es wieder zu früh kam:
Was macht nun ein Kirchenältester, der mit dem Vorderteil draußen im Regenschauer und mit dem Hinterteil innen im Lokus hängt?
(Eigentlich wollte ich eine Ausgabe mit farbigen Zeichnungen und erwischte gegen meine Absicht doch Schwarz-Weiß-Fassungen. Im Nachhinein gefällt mir das Schwarzweiß; Farbe wäre vielleicht “zu viel”, könnte die Fantasie einengen.)
Assoziation:
- Kinder auf dem Land auch in den Lausdirndlgeschichten von Lena Christ (die Lausbubengeschichten von Ludwig Thoma sind bösartig, die Protagonisten ein paar Jahre älter, sie erinnern nicht an Michel aus Lönneberga)
- Ewald Frie empfiehlt den Michel als Beispiel für historisches Landleben in seinem Erfolgsbuch Ein Hof und elf Geschwister
- gelegentlich die Kinderbücher von Erich Kästner, weil sie ein Modikum an Realismus (wenn auch nicht auf dem Dorf) und wohlwollende Hauptfiguren und Erzähler bieten
Ausgaben:
Ich las Michel aus Lönneberga in der dreibändigen Ausgabe von Oetinger:
- Michel in der Suppenschüssel
- Michel muss mehr Männchen machen
- Michel bringt die Welt in Ordnung
Dazu kommt Oetingers Gesamtausgabe:
- Michel aus Lönneberga. Alle Abenteuer in einem Band.
Die Bände haben jeweils viele Zeichnungen, doch nur manche Fassungen haben innen Farbe. Be8e zu Farb-Ausgaben den Hinweis auf dem Titelbild des Buchs und die geänderten ISBNs.
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