Geschickt vermischt Irma Nelles Privates, Spiegel-Interna und bundesdeutsche Zeitgeschichte. Schon als Kind hörte sie Vater und Lehrerin ehrfürchtig von Rudolf Augstein reden.
Sie beginnt mit dem Tod Rudolf Augsteins und springt dann in ihre Kindheit; so macht man das in modernen Büchern. Sie schreibt gefühlvoll und sehr menschlich, wahrt Takt, ohne Schwieriges komplett auszusparen. Fast wundert man sich, dass diese gute Frau, Tochter eines altkatholischen Pfarrers, so lange beim Spiegel, und vor allem beim Krokodil Augstein, durchhielt.
Irma Nelles (1946 – 2024) beschreibt einen unberechenbaren, selbstherrlichen, teils schwächlichen, bierschluckenden Großmacker mit dem EQ eines Ziegelsteins, und doch wirkt es nicht völlig unverständlich, wenn sie sich ihr Leben von ihm einrichten und seine verbale Übergriffigkeit schlicht abperlen lässt. Die gelernte Grundschullehrerin hat ein großes Herz auch für erwachsene Kleinkinder, eine people pleaserin par excellence.
Nach der frühen Scheidung und einem ersten Job beim Spiegel in Bonn spielen ihre zwei Kinder keine Rolle mehr im Buch; ein Lebenspartner scheint zu existieren, bekommt aber nicht mehr als ein oder zwei Erwähnungen. Man könnte sich von Nelles zugelabert fühlen, aber sie berichtet so zurückgenommen, so komplett auf Augstein fixiert, und schält ihm selbst nach der größten verbalen Zumutung noch ein Ei (Hühnerei).
Fassungslos machte mich der Satz des schwerkranken Augstein 1999:
Das Internet wird der neue Faschismus…es ist ein ungeheueres Machtinstrument. Irgendwann wird es jemanden geben, der es für seine Zwecke missbraucht.
Politisch bringt das Buch gar nichts, medienhistorisch sehr wenig. Sprachlich ist es bieder, und die Phrase
Rudolf stellte sein rechtes Auge mittig
langweilt spätestens bei der 30. Wiederholung
Es gibt keinen Handlungsbogen, nur als Schlüssellochblick hat das Memoir seinen Reiz. Politik erscheint nur am Rand als Kulisse, ein klein wenig mehr Bedeutung haben redaktionelle Abläufe, ansonsten Rudolf, Rudolf, Rudolf, und praktisch keine Irma.
Assoziation:
- in den 70ern kommen Horst Ehmcke, Willy Brandt und die Wirtschaft Rheinlust vor, das erinnert an den Roman Rheinblick von Brigitte Glaser
- Hier erscheint Rudolf Augstein nur als Mensch. Peter Merseburger zeigt dagegen Rudolf Augstein nur als politischen Denker
- Etwas mehr über Irma Nelles selbst erfährt man im Tagesspiegel
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