Romankritik: Ruhm, von Daniel Kehlmann (2009) – 3 Sterne – Video & Links

Kehlmann plaudert leicht konsumierbar vom Hocker und hat keine Angst vor Dialogen – ein wichtiger Unterschied zu deutschsprachigen Kollegen. Dabei schreibt er jedoch glanzlos, ja stumpf und muffig: Er setzt nicht nur “ß” nach alter Rechtschreibung. Eine Kantine nennt Kehlmann zudem “Eßsaal”, Handys heißen konsequent “Mobiltelefon”, der Mobilfunkanbieter hat einen “Kundendienst”, und im Hotel kümmern sich “Rezeptionisten”.

Die Sätze klingen uninspiriert zusammengesteckt, ein Beispiel (sic):

Sie spürte seinen Blick, und sie wußte, daß er sie gerne angefaßt hätte, aber sie war sogar dafür zu müde, ihm zu sagen, daß sie zu müde war.

Was uns dazu bringt, dass Daniel Kehlmann unentwegt manisch getriebene Männer schildert, Autoren oder Abteilungsleiter, deren mausgrau weiblicher Anhang (mehrfach langjährige Ehefrau; alternativ/parallel taufrische Kneipenbekanntschaft) vorwurfsvoll guckt, “miserabel” kocht und v.a. spätnächtlicher Rumpelsextriebabfuhr dient. Frauen wie Rosalie:

Etwas schiefe Zähne, die Haare zu dünn und der Hals zu schmal, eine Schönheit war sie nie (…)

Das ist öde Deutschcomedy, C-Comedy, reizloses Routinegeschreibsel.

Gut, dieser Plot eines Autors, der seine Romanfiguren durch die Geschichte und gegen ihren Willen zur Sterbehilfe bugsiert, unterhält zunächst, ist aber auch nicht neu. Kehlmann spielt immer wieder mit Identitäten, Promis werden mit ihren Doppelgängern verwechselt, ihre Anrufe gehen an den Falschen. Die Episoden um die verschiedenen Hauptfiguren (fast zu viele für 200 Seiten) sind teils reizvoll verbunden, teils deutet Kehlmann spätere Entwicklungen und Begegnungen zaunpfahlschwingend an. Kein Wunder, dass die 2012er Verfilmung dieses hochgradig konstruierten Konstrukts ohne Erfolg blieb (Regie und Buch Isabel Kleefeld, Produktion Sönke Wortmann, mit Senta Berger, Heino Ferch, Matthias Brandt).

Literaturbetriebsuperstar Daniel Kehlmann (“Die Vermessung der Welt”) schreibt seine geballte Verachtung des Literaturbetriebs in die Literaturbetriebsatire des 2. Kapitels: Der berühmte Autor dort ist praktisch verrückt, aber wer verstünde das nicht, wenn “die Dame vom Kulturinstitut” “Frau Rappenzilch” heißt und “vorstehende Zähne” bleckt; sämtliche Besucher seiner Veranstaltungen fragen (weit über das zweite Kapitel hinaus) das Immergleiche; eine Begleiterin denkt darum, sie müsse “sich mit Waschmaschinen unterhalten, mit Hydranten oder Robotern”. Armer Herr Kehlmann. Später gibt es noch einen Heilsbringer-gleichen Lebenshilfe-Autor, dessen Bücher und Banalitäten überall auftauchen und einen abstrus widerwärtigen Lesergroupie.

Der ist allerdings völlig unrealistisch, ebenso wie der mit Englischem durchsetzte Internetforum-Sprech dieser Figur. Inhalt und Sprache betören hier so wie Daumennagel auf Schiefertafel, die Parodie vergnügt nicht eine Sekunde.

Im Kapitel danach wird es wieder gefühlig, Mann + Frau in Kneipe -> wieder Liebesnacht bei ihr – und da “wußte ich, daß ich lieber sterben würde, als darauf zu verzichten, sie anzufassen, meinen Atem mit dem ihren zu mischen”. Parodie, gekonnt intonierter Ich-Erzähler oder echte Fehlleistung des hauptverantwortlichen Autors? Keiner weiß es, das Buch spielt unangreifbar parodistisch mit Fiktion in der Fiktion. Vielleicht *will* Kehlmann ja, dass der Schmarrn wie Schmarrn tönt.

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