Mit In fremden Kleidern und Der kälteste Winter schrieb Paula Fox zwei knappe autobiografische Bücher. Weitere autobiografische Skizzen, die an diese zwei Bände anschließen, liefert die erste Hälfte von Die Zigarette und andere Stories (2011, engl. News from the World: Stories and Essays); es gibt nur zwei kurze punktuelle inhaltliche Überschneidungen (1). Den autobiografischen Stücken folgen ohne Trennung oder Kennzeichnung Kurzgeschichten und Essays.
Ich kenne nur die US-TB-Ausgabe von Norton und kann die Eindeutschung nicht beurteilen. Meine US-Ausgabe hatte etwa 202 äußerst locker bedruckte Seiten Haupttext (zzgl. Inhalt, Danksagung und Quellenhinweisen) mit 18 einzelnen Texten (einschl. Vorwort).
Autobiografisches:
Während Paula Fox (1923 – 2017) im Bändchen In fremden Kleidern etwas aufdringlich ihre lieblose Mutter anprangert, bekommen hier ihr Vater (“a drunk”) und der Schwager Clem ihr Fett weg. Über einen anderen Mann sagt sie (S. 39):
His criticism of his father had had an unpleasant tone, making public feelings and opionions he should have kept to himself.
Genau das dachte ich manchmal über die Darstellungen der Paula Fox.
Ihre autobiografischen Geschichten hier liefern neue Details zu Fox’ Leben; sie wirken jedoch weniger rund und poetisch als die Skizzen von In fremden Kleidern, fast wie Outtakes oder gescheiterte Ansätze zu einem größeren Memoirenband über ihre erwachsenen Jahre. Gelegentlich schien mir die Sprache unterredigiert. So schreibt Fox (S. 130):
…he didn’t know what it was that was made easier.
Warum sagt sie nicht, “…he didn’t know what was made easier”?
Auf Seite 133 in einer Kurzgeschichte echauffiert sich ein pingeliger junger Mann, man könne “impact” nicht als Verb verwenden. Das geht aber. (Sie gibt wohlgemerkt die Meinung einer fiktiven Figur wieder, nicht die des allwissenden Erzählers; die Figur soll jedoch offenbar nicht einen Fehler aussprechen; also sollte Fox ein eindeutigeres Beispiel verwenden.)
Manchmal klingen Kombinationen unterschiedlicher Themen in einer Geschichte unrund (selbst wenn Fox eine Verbindung herstellt). Die Geschichten sind nicht chronologisch geordnet und schließen nicht aneinander an, einmal gibt es einen Querverweis.
In “Cigarette” schildert Fox nicht nur ihr wechselndes Verhältnis zum Rauchen, sondern auch den Überfall mit Kopfverletzung, in dessen Folge sie Alltagsdinge und wohl auch das Schreiben neu lernen musste; zu ihrer Genesung würde man gern auch die Außenansicht ihres Mannes hören.
Kurzgeschichten und Essays:
Es gibt nur etwa fünf fiktionale Kurz– und Kürzergeschichten. Die Story um das junge Paar in Taos, New Mexico, deutet verschiedene Geheimnisse an, die dann nicht aufgeklärt werden – sie lässt sich teils mit Fox’ autobiografischer Skizze von Taos verbinden, die weiter vorn im Buch steht, aber das klärt die offenen Fragen auch nicht.
Die weiteren Kurzgeschichten unterscheiden sich in zwei wesentlichen Punkten von bekannten Paula-Fox-Romanen:
- sie stellt hier Männer in den Mittelpunkt
- bei nur geringen Anklängen an die eigene Biografie
Die zweite, wohl stärkste Geschichte, in jeder professionellen Rezension erwähnt, handelt einfühlsam von einem sensiblen jungen Mann und dessen sensiblem Hund. Oft erwähnt wird auch die Geschichte des Mannes, den der Briefwechsel mit einem fast vergessenen Schulfreund in einen bizarren Bann zieht. Fast ebenso gut ist die Slang-Tirade eines Afro-Amerikaners mit zerfallender Familie, der seinen Sohn zu Grabe trägt. Dem folgt eine weitere kurze Geschichte um Afro-Amerikaner, die ich nicht verstand. Diese zwei Texte standen zuerst in den 1960er Jahren in The Negro Digest (sic); die neuesten Stücke aus dem Sammelband erschienen erstmals 2010.
Die kurze Geschichte von der Haushälterin am Meer verwendet das Haushälterinnen-Thema aus Fox famosem Roman Luisa/A Servant’s Tale, hat aber eigene Schwerpunkte.
Die Essays streifen menschliche und soziale Themen. Dabei redet Fox auch über Literatur, Moral und ausgiebig von persönlich Erlebtem. Sie mischt überrraschend sehr unterschiedliche Themen und Inhalte und hat auf jeden Fall eine sehr persönliche, fast lyrische, lakonische Stimme, nicht aufdringlich und auch nicht öd.
Inhalt der Geschichten:
Scheinbar Autobiografisches:
- Verhältnis zum Rauchen, Überfall mit Kopfverletzung
- Verhältnis zu Schwager Clem (autobiogr.)
- Umzug Manhattan-Brooklyn, Schusswaffengebrauch, L.J. Davis’ Roman A Meaningful Life
- Der homosexuelle Nachbar
- Einfaches Leben in Taos, New Mexico sowie Frieda und D.H. Lawrence
- Schauspieler Franchot Tone a.d. Leinwand und a.d. Parkplatz
- WG-Leben in New Orleans
Kurzgeschichten:
- Junges Ehepaar besucht sterbenden Vater u.s Pflegerin nh. Taos
- Einsamer (sprach-)sensibler Mittdreißiger u.s. (ebf. sensibler) Hund in NYC
- Junge Haushälterin eines alten Malers
Kinder sehen Henne u. deren Ermordung am Strandgrill - Afro-amerikanische Familie beerdigt Sohn
- Afro-Amerikaner und ?
Essays:
- Verbotene Bildmotive, z.B. anat. Details
- Sprachtics wie sinnloses “like” u. vernebelndes Substantivieren
- Formeln, Gefühle, junger Theaterbesucher weint bei vermeintl. lustigem Stück
(1) Junge in poln. Kinderheim; Preisschild an Kleid bei Kinobesuch
Paula Fox bei HansBlog.de
Goodreads* | Amazon.com* | HansBlog | |||
Belletristik: | |||||
1970 | Desparate Characters | Was am Ende bleibt |
7 |
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1972 | The Western Coast | Kalifornische Jahre |
7 |
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1976 | The Widow’s Children | Lauras Schweigen |
7 |
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1984 | A Servant’s Tale | Luisa |
8 |
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2011 | News from the World: Stories and Essays | Die Zigarette und andere Stories |
7 |
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Memoiren: |
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2001 | Borrowed Finery | In fremden Kleidern |
8 |
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2005 | The Coldest Winter | Der kälteste Winter |
5 |
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2011 | Bernadette Conrad: | Die vielen Leben der Paula Fox |
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*Leserwertung (Zahl der Stimmen), Stand August 2019
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