Kritik Kurzgeschichten: Tod durch Ertrinken, von T.C. Boyle (engl. Descent of Man, 1979) – 3 Sterne

Boyle erzählt grotesk, ironisch, mild unterhaltsam, aber nie vom Hocker reißend, in seiner ersten Kurzgeschichtensammlung. Die Kurzgeschichten sind gelegentlich gelungen parodistisch, viel öfter jedoch öd unrealistisch oder unverständlich und wirr – sie amüsieren nie wie Boyle-Romane wie Wassermusik (1981), The Road to Wellville (1993) oder Grün ist die Hoffnung (1984). An prima Dialoge erinnere ich mich nicht.

Offenbar verfasste T.C. Boyle die 17 Geschichten in seiner Zeit als Schreibstudent, und so unausgewogen klingen sie oft auch. Die Stories erschienen in den frühen 70er Jahren und dienten auch als Abschlussarbeit. Wie Boyle auf seiner Webseite betont, schrieb er seinerzeit viele weitere Geschichten, die er bewusst nicht zwischen Buchdeckeln veröffentlichte – sicher eine kluge Entscheidung.

Die Themen der Geschichten:

  • Affenpflegerin wird zunehmend selbst äffisch, ihr Affe menschlich, grotesk unrealistisch, aber realistisch klingend erzählt
  • Fresswettkampf, inszeniert wie bombastisches Boxen, grotesk unrealistisch, aber realistisch klingend erzählt, erinnert mit der Vorwettkampfstimmung etwas an Hemingways längere Box-Kurzgeschichte; gute Genreparodie
  • Vikinger-Barde berichtet in rauh-poetisch-amüsantem Ton von Raubzügen: interessante Parodie
  • Beschreibung eines melodramatischen Lassie-Films mit Junge, treuem Hund und liebem Elternpaar im Hintergrund; voller Gefahren; wieder starke Parodie
  • Idi Amin Dada wird zu einem Dada-Kunstfestival eingeladen; belanglos
  • Einsamer Mann will unbedingt in Nur-Frauen-Club (eine der schwächsten derjenigen Geschichten, die ich las)
  • Mann strandet nach Autopanne tagelang in bizarrer Pannenhilfsstation (schwach, liest sich wie die Rachestory nach schlechter Pannenhilfeerfahrung)
  • Figuren und Liebesleben auf einsamer Insel (schwach)
  • Kurztexte über Menschen und Tiere, die durch Menschenhand ausstarben

Ein paar Geschichten konnte ich nur anlesen, dann musste ich schnell weg:

  • Es regnet Blut (wörtlich)
  • Irgendwas mit Mao und Schwimmen
  • Im Dschungel nach Flugzeugabsturz

Die weiteren Geschichten ab Seite 159 von 219 habe ich gar nicht mehr angefangen, weil schon das Bisherige maßlos enttäuschte.

Assoziationen:

  • Lorrie Moores Kurzgeschichtensammlung Leben ist Glückssache (engl. Self-Help, 1985), die ebenfalls aufdringlich betont originell klingt und m.W. auch als Studienarbeit entstand.
  • die Menschen-Affen-Kurzgeschichte erinnert deutlich an Boyles 2020er-Menschen-Affen-Roman Sprich mit mir (engl. Talk to me, bei Amazon)
  • Boyles spätere Kurzgeschichtensammlung Fleischeslust/Without a Hero (1994) enthält ebenfalls bizarr Unrealistisches, u.a. einen US-Safaripark, in dem man beliebig Savannentiere abknallen kann. Nicht anders die viel spätere Boyle-Sammlung The Relive Box.

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