Jede Episode zum Thema Kautschuk und Industrialisierung hat 50 bis 80 Seiten, die meisten Episoden sind kaum verbunden und spielen – chronologisch angeordnet – in unterschiedlichen Jahrhunderten und Kontinenten, unter anderem in Brasilien, Indonesien, USA, Deutschland und im Krieg in Nordafrika. Die Episoden erzählen von Indios, Unternehmern, Pflanzern, Forschern und Soldaten.
Eine Figur, die in einer Episode stirbt, wird vielleicht im anschließenden Kapitel noch einmal kurz erwähnt; ein Baby kommt gegen Ende eines Kapitels zur Welt und taucht drei Kapitel später als Kautschukplantagenmanager wieder auf. Der heterogenen Romanstruktur zum Trotz achtet die erfahrene Bestsellerautorin Vicki Baum natürlich darauf, dass sich im Schlusskapitel die Dinge halbwegs runden.
Starke Schilderung:
Baum erzeugt eindrückliche, plastische Kulissen, zieht sofort in ihre Geschichten hinein; es fällt fast schwer, das Buch einmal wegzulegen. Aber um eine Szene lebhaft auszumalen, wendet Baum auch enorm viele Worte auf (meine englische Dünndruckausgabe The Weeping Wood hat 508 eng beschriebene Seiten). Bei aller Spannung wünschte ich mir manchmal den Stil von Hemingway oder V.S. Naipaul, die weit ökonomischer genauso viel Eindruck erzeugen.
Die südostasiatischen Kapitel erinnerten mich atmosphärisch teils an W. Somerset Maughams malayische Plantagengeschichten. Doch Baum klingt härter, nüchterner, weniger Stengah-selig.
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Aber auch Schwächen:
Der Roman vermittelt reichlich Wissen über Kautschuk, natürliches und künstliches; die Information wirkt jedoch teilweise wie angelesen und nur mühsam in Romanform gebracht. So lernen wir Herrn Goodyear in einem langen Monolog seines Freundes kennen, es erscheint fast schon wie eine Wikipedia-Biographie.
Besonders schwer zu ertragen sind die Seiten, in denen ein ausgewanderter deutscher Abenteurer in bewusst falschem Englisch schwadroniert. Ganz und gar belehrend klingen die allgemeinen, seitenlangen Ausführungen über das Leben eines Kautschukbauern, die Hauptfiguren haben so lange Pause; hier konnte Baum ihr allgemeines Wissen offenbar nicht in die Spielhandlung packen. Später erklärt sie über mehrere Seiten die Reifenherstellung in unterschiedlichen Jahrzehnten und vergisst so lange die Story; auch die chemischen Grundlagen der Kunststoffherstellung mutet sie dem Leser zu. Meine Ausgabe präsentiert zudem zwei Seiten mit Wirtschaftsgrafiken.
Faction:
Baum mischt hier freimütig Fakten und Fiktion, sie weist im Vorwort deutlich darauf hin. Schade, ein großteils faktengestützter romanartiger Bericht hätte deutlich mehr Substanz. So nimmt man letztlich gar nichts als historische Tatsache. Bevorstehende Tragödien deutet Baum vor allem in der ersten Buchhälfte mit reichlich Zaunpfählen an. Sie weist schon im Vorwort auf traurige Kapitel hin; manche Kapitel tragen Nachruf oder Tod in der Überschrift.
Cahuchu ist einer der ersten Romane, die Baum ab Ende der 1930er auf Englisch schrieb. Anfänglich schien mir ihr Englisch etwas altmodisch oder schlicht zu sein, später kam es mir völlig normal vor – aber definitiv leicht zu lesen im Vergleich zu anderen englischen Romanen. Interessant auch der Tonartwechsel in den einzelnen Geschichten. Ich habe auch die deutsche Übersetzung angesehen (nicht von Baum übersetzt); sie klingt sehr altertümlich, teils fast mittelalterlich.
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