Filmkritik: Oh Boy, mit Tom Schilling (2012) – 6 Sterne – mit Video & Links

In dem kleinen Schwarzweißfilm zieht Tom Schilling träge einen Tag und eine Nacht durch Berlin. Sein Jurastudium hat er vor zwei Jahren geschmissen, seither nichts Neues begonnen.

Schilling trifft einen Reigen grotesker, rechthaberischer, teils demütigend selbstgerechter Figuren – Verkehrspsychologen, Nachbarn, Ex-Mitschüler, Alkis, Kartenkontrolleure, Kellner, Vater, Kinderzimmer-Dealer, Dampfplauderer, Schauspieler, Regisseure. Sie alle reagieren ihre Neurosen, Spannungen und Erwartungen an der Schilling-Figur ab. Die Hauptfigur wahrt stets eine höflich-neutrale, leicht desinteressierte Fassade, die sich nur gelegentlich ein wenig lockert.

Der mild satirische Film verbindet seine Episoden kaum – die Käuze haben ihren einen Auftritt und erscheinen nicht wieder, mit Ausnahme der ehemaligen Mitschülerin. Immer wieder hat Schilling Pech, und nie kommt er an den begehrten Kaffee (brew it yourself ist für einen Berliner Antrieblosen wie ihn keine Option).

Die Abschlussarbeit für die Berliner Filmakademie entstand in drei Tagen mit 300.000 Euro und erhielt in Deutschland viele Preise (Regie Jan-Ole Gerster). Unter dem Titel A Coffee in Berlin bzw. Un Caffé a Berlino fand der Film auch im Ausland viel Beachtung, wurde mit Frances Ha verglichen (schon wegen der Schwarzweißbilder) – und etwas weniger euphorisch besprochen als in Deutschland.

Berlin wirkt in diesem Film bei aller Lakonie hässlich, übersät mit Abfällen und Graffitis. Das Schwarzweiß des Films verstärkt diesen Eindruck noch. Das Bild ist nicht künstlerisch oder ästhetisch, sondern schlicht farblos; Hauttöne erscheinen unnötig dunkel.

Einige Witze führt der Film überdeutlich vor. Nach 83 Minuten war ich froh, den Reigen schwer erträglicher Berliner überstanden zu haben.

Sympathisch war nur die Frau ganz zu Anfang. Aber auch sie wird verlassen und kehrt nicht wieder.



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