Rezension Erzählungen: Mein geheimes Leben, von Paul Theroux (1989, engl. My Secret History) – 8 Sterne

Vieles erinnert an Paul Theroux’ späteres Buch Mein anderes Leben (1996, engl. My Other Life): die Stationen Afrika, USA, London mit Schriftstellerbesuch, die haargenaue Beobachtung, die unaufdringliche Belesenheit, der ruhige, aber nie langweilige Ton, die dichte Atmosphäre, die perfekte Konstruktion. Man könnte meinen, Theroux habe erst einen langen Text geschrieben und diesen dann in zwei BĂĽcher aufgeteilt.

Noch etwas besser als der Nachfolger:

Dieses hier, “Mein geheimes Leben” (engl. My Secret History) gefällt mir noch geringfĂĽgig besser als der Nachfolge-Band: Die einzelnen Stationen sind besser verwoben, der Grundton wirkt etwas weniger säuerlich. Im Englischen unterscheiden sich die Buchtitel ĂĽbrigens deutlicher als auf Deutsch: “My Other Life” versus “My Secret History”.

Stärker als Mein anderes Leben konzentriert sich das “Geheime Leben” (veröffentlicht 1989) nach einem länglichen Start als Ministrant auf Frauen. Davon gibt es mehrere pro Kontinent, der Ich-Erzähler spricht sie oft kĂĽhn an und fliegt nach einer Weile ungerĂĽhrt ein paar Länder weiter.

Der Ich-Erzähler trifft auch SchĂĽlerinnen seiner afrikanischen Missionsschule und betrĂĽgt die eine, die er schlieĂźlich heiratet, ziemlich dreist. Gleichzeitig schildert er ausfĂĽhrlich und sehr unterhaltsam seine eigene ErschĂĽtterung ĂĽber den Seitensprung seiner Frau. Andererseits hat das “Geheime Leben” weniger Begegnungen mit begeisterten Theroux-Lesern, die nicht ahnen, dass sie mit dem Autor selbst sprechen.

Fies, aber gut lesbar:

Mitunter wirkt es, als ob der Ich-Erzähler mit seinen teils fiesen Zügen beeindrucken oder etwas beweisen wolle. Flach anzüglich wird der Text jedoch nur an einer einzigen Stelle. Die Übersetzung bleibt zunächst unauffällig genießbar, versagt nur gegen Ende öfter, nicht zuletzt bei den herausfordernden Worten der Liebhaberin Eden.

Es gehört zur Konstruktion des Ganzen, dass der Ich-Erzähler am Ende Vergleiche zwischen frühen und späteren Frauen zieht und bilanziert:

“Ich lebte zwei Leben und wusste, dass ich bei jeder Frau ein anderer Mensch war – ich belog jede oder tischte jeder eine andere Version der Wahrheit auf; ich schärfte mir ein, was ich erzählen und was ich auslassen musste.”

Fies, aber hervorragend zu lesen.


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