Buchkritik: Verbrannte Tage, von James Salter (Autobiografie 1997, engl. Burning the Days) – 7 Sterne

Salter (1925 – 2015) schreibt nicht streng chronologisch: Tritt eine neue Figur auf, erzählt er ihr Schicksal oder seine Beziehung zu ihr mitunter gleich über die nächsten Jahrzehnte hin, wenn auch nur auf wenige Seiten. Militär- und Autorenzeit überlappten sich in Salters Leben deutlich, aber er erzählt die entsprechenden Episoden in getrennten Buchteilen.

Eisig klarer Ton:

Mehr als Daten und Fakten beeindruckt der Ton. Er wirkt oft so eisig klar wie der Himmel 10.000 Meter über Korea, den Salter beschreibt. Er raunt, wechselt nicht nur die Figuren, sondern auch Vergangenheits- und Gegenwartsform, wie ein alter Herr beim Cognac. Ausrufezeichen gibt es gar nicht, nur auf wenigen Seiten wirkt Salter menschlicher, wenn er über eigenwillige Ziegen, Hunde und tragische Momente seiner mindestens fünf Kinder schreibt. Die jedoch erscheinen, ebenso wie seine Ehefrauen, nur auf vielleicht drei von 370 Seiten.

Salter nimmt auch sich selbst stark zurück, von seinen Büchern behandelt er nur A Sport and a Pastime über etwa zwei Seiten und Light Years über eine Seite, ein paar wenig beachtete Film- und Theaterprojekte erhalten sogar mehr Platz – und kein Wort von den vielgelobten Kurzgeschichten. Salters Leidenschaft gilt der Literatur, Europa, Fliegen, Essen, Trinken, interessanten Männern und funkelnden Frauen. Bei dem impressionistischen, unhistorischen Stil überrascht es fast, dass dem Text ein Personenregister folgt. Fotos allerdings zeigt meine Taschenbuchausgabe nicht.

Dramatische Episoden:

Die Jugendjahre wirken unspektakulär, der Drill in der Militärschule West Point widert an. Dann aber folgen dramatische Liebes- und Kriegsflieger-Episoden. Letztere wirken plastischer, weil genau erklärt; teils haarsträubend, voller Machismo, verbissener Ehrgeiz im Kampf um Flugstunden und die meisten MIG-Abschüsse, eine Episode nach der anderen bringt Todesgefahr und tödliche Unfälle der Kollegen. Die Flieger-Kapitel wirken wie das Zentrum des Buchs – von seinen ersten Schreibunternehmungen zur gleichen Zeit erzählt Salter dagegen fast nichts, auch nicht im späteren Buchteil.

Anders als beim Thema Fliegen sagt Salter nie deutlich, was ihn an den verschiedenen Frauen faszinierte, abgesehen manchmal von ihrem Körper und ihrer unerhörten Zugänglichkeit. Die Fliegergeschichten erinnern momentweise an Joseph Hellers Catch-22, wenn auch bei Salter ohne ein Promille Unernst (Joseph Heller hat bei ihm einen Kurzauftritt).

Nach dem Jugend- und Fliegerteil folgt der Hollywood- und Autorenteil, mit Zeit auch in Rom und Paris und vielen exquisit gebauten, nahbaren Glamourdamen. Ausführlich schreibt Salter über Irwin Shaw, ein paar Seiten auch über Robert Redford und den Produzenten Ginna. Beim Film Three führte Salter Regie, und in der Autobiografie tritt er die Hauptdarstellerin ungewohnt gehässig in die Tonne; gemeint ist offenbar Charlotte Rampling. Vanessa Redgrave, Maximilian Schell, Graham Greene, F. Scott Fitzgerald und die Nabokovs haben Kurzauftritte.

Assoziation:

  • Dieser Erzählstil mit immer wieder neuem Fokus wie auch einzelne Akteure kehren wieder in Salters viele Jahrzehnte und viele Figuren umfassendem Roman Alles, was ist/All That Is (2013). Allerdings bringt James Salter hier in der Autobiografie deutlich weniger Dialog, so dass die Lektüre etwas blasser erscheint (ich kenne nur das englische Original, nicht die Eindeutschung).
  • HansBlog.de: Diese Autobiografien lese ich *trotzdem*

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