Buchkritik: Gotthard, von Zora del Buono (2015) – 7 Sterne

Kurz und knackig, mit ungemein sicherer Stimme, erzählt Zora del Buono einen halben Tag an der Baustelle des Gotthardtunnels. Ein paar Seiten lang konzentriert sich die Novelle auf eine Person, dann gleitet der Scheinwerfer auf die nächste Figur. Allmählich wird klar, wie alle mteinander zu tun haben, und bei jeder Szene rückt die Uhr ein paar Minuten weiter.

Dabei präsentiert Zora del Buono sehr eigenwillige, aber nicht völlig unrealistische Protagonisten: Hobby-Eisenbahnfotografen, Bauarbeiter aus Italien und Ostdeutschland, Sexarbeiterinnen aus Brasilien, pensionierte Kantinenwirtinnen und lesbische Brummifahrerinnen. Zudem fährt del Buono – einst Architektina und Bauleiterina – jede Menge Fachwissen auf, nennt unentwegt Zugtypen, Mofas oder Baugerät beim Namen, erwähnt den verwendeten Gang beim Bergabfahren, erklärt selbst Schrebergärtnerarbeiten in Rostock detailliert. Auch Interieurs, Häuserkonstellationen oder Klima beschreibt del Buono immer präzis und perfekt nachvollziehbar.

All das passt nur deshalb mühelos auf 150 Seiten, weil die Autorin jedes Schwafeln rigoros unterlässt. Fakten, Fakten, Fakten heißt ihr Motto, und dem fallen auch Dialoge weitgehend zum Opfer. Immerhin gibt es ein paar vergnügliche Mischungen aus Deutsch, Schweizerdeutsch und Italienisch.

Zunächst wirkt der Personenreigen noch unübersichtlich. Sobald jedoch die ersten Querverbindungen hervortreten, kann man das Büchlein nicht mehr weglegen. Virtuos steuert del Buono aus mehreren Richtungen ein haarsträubendes, zu groteskes Finale an. Sie streut ein paar derbe Frauenfeindlichkeiten ein, die nur sie als Frau sich erlauben darf.

Weit schwächer ist del Buonos Campus-Roman Hinter Büschen, an eine Hauswand gelehnt.

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