Historischer Afrika-Bericht: Journey without Maps, von Graham Greene (1936, dt. Der Weg nach Afrika) – 5 Sterne

Eine bizarre Expedition, 1935 zu Fuß durch entlegene Dörfer und Wälder Sierra Leones, Guineas (“France”) und Liberias.

Oder eher keine Expedition, denn es galt nichts Neues zu entdecken:

Es war mehr eine ausgedehnte Wanderung: Graham Greene, seine Cousine Barbara Greene (er etwa 30, sie 23, beide völlig Afrika-unerfahren) und ein paar Dutzend einheimische Träger. Die sollten eigentlich Greene in einer Hängemattenkonstruktion durch Afrika tragen, aber er ging meist zu Fuß – sagt er.

Journey without Maps (dt. Der Weg nach Afrika) hat nichts mit den Romanen Greenes gemeinsam, auch nicht mit The Heart of the Matter, das in Sierra Leone spielt und vom englischen Verlag als Pendant empfohlen wird. Nicht nur, dass The Heart of the Matter (dt. Das Herz aller Dinge) meist in der Hauptstadt Freetown angesiedelt ist, also nicht im Busch.

Auch Greenes Ton ist bei Journey without Maps ganz anders:

In Journey without Maps erzählt Greene nachlässig bis eigenwillig, wie ein alter Herr, der bei ein paar Cognacs am Kamin daherschwadroniert. Greene gibt auch mal ein paar Träume zum Besten, Jugenderinnerungen oder drei Seiten über einen Besuch im Baltikum. Warum? Kann ich nicht sagen (aber er erwähnt diese Ausflüge auf der letzten Seite noch einmal kurz).

Dazu kommen frei schweifende Gedanken, die man mitunter auch rassistisch oder misanthropisch nennen könnte. Insgesamt wirklich schlecht erzählt, und das in einem schlecht gedruckten und nachlässig lektorierten Buch.

Ein paar Motive kehren im Reisebericht immer wieder:

  • die Träger sind ehrlich und meist zuverlässig, aber sie murren auch gern
  • Ratten, Kakerlaken, Schlangen, Sandflöhe, geahnte Elefanten und Leoparden plagen enorm
  • haarsträubender Aberglaube
  • in den Dörfern wird man meist höflich empfangen und tauscht Geschenke mit den Vorstehern; es gibt Rasthäuser, wenn auch oft verfallen
  • gut aussehende Frauen mit wenig Oberbekleidung (im Vorwort listet Paul Theroux alle Begegnungen lüstern auf)
  • Medizin und Alkohol helfen beim Entspannen (zur Not Palmwein oder gestreckter Whiskey)

Wenig Beachtung findet dagegen Cousine Barbara Greene:

Sie erscheint nur alle 50 Seiten in einem Nebensatz (anders als Graham ließ sie sich wirklich in der Hängematte tragen); über viele Seiten wird sie völlig vergessen, während man ein paar Träger ansatzweise kennenlernt. Darum schrieb Barbara Greene ein eigenes Buch über den Trip, Too Late to Turn Back (zuerst Land Benighted; auch auf Dt.).

Ungefähr erst ab Seite 80 geht’s in wirklich entlegene Gebiete, und hier wird das Buch etwas interessanter. Die Kapitel davor spielen auf dem Schiff, in der Hauptstadt Freetown oder in Mittelstädten Sierra Leones; die letzten etwa 20 Seiten behandeln Polit-Intrigen und die Tristesse der Weißen in Monrovia.

Nun ja, ich mag Hot Country Reading, darum habe ich’s trotz aller Mängel zu Ende gelesen:

Unterhaltsam war es zwar nicht, auch wenn Norman Sherry Journey without Maps in seiner dreibändigen Greene-Biografie wiederholt preist

“unquestionably one of the best travel books of the period”, Vol. II, S. 212

“probably one the best travel books of our time”, Vol. III, S. xxvi

“one of the best travel books of the century”, Vol III., S. 259

Aber immerhin gehören zu dieser Journey-Ausgabe des Vintage-Verlags (ein Random House-Imprint) auch Vorworte der Kapazitäten Tim Butcher (drei Seiten mit Verweisen auf Greenes geographische Ungenauigkeiten, er schrieb ein eigenes Buch über Greenes Wanderung) und Paul Theroux (15 Seiten mit interessanter biographisch-literarischer Einordnung).

Weitere Bücher von Tim Butcher und Barbara Greene befassen sich mit der selben Expedition, und ich mag solche unterschiedlichen Blickwinkel auf ein und dasselbe Ereignis.


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