Das liest sich flüssig, freundlich und tiefgangfrei. Am Gymnasium prügelte sich Bissinger so, dass er von der Schule flog und kein anderes Gymnasium ihn aufnehmen wollte – er musste auf die Realschule und den Traum vom Architekturstudium begraben. Welche Wut tobte im heranwachsenden Manfred? Und warum hatte er dagegen als Erwachsener
eine ausgeprägte Fähigkeit, Menschen für sich zu gewinnen
? kein Wort dazu in der Biografie.
Die frühen Kapiteln über die Jugend verwirren mit Zeit- und Ortssprüngen. Später zitieren die Autoren einen langen Brief von Henri Nannen, der einen vorhergehenden Bissinger-Brief zitiert – doch den früheren Bissingerbrief liefern sie erst danach.
Die Autoren texten jederzeit pro-Bissinger, und
die Sache mit den “Hitler-Tagebüchern“ wäre Bissinger wohl nicht passiert.
Die Autoren vermeiden etwaige dunkle Seiten und allzu Privates (aber nicht die Kerze, die Bissinger in Rom für seinen Hund entzündet und den „Brief des Großvaters an Enkel Henry Bissinger”, eine mehrseitige unkommentierte Selbstdarstellung). Mit-Biograf Hermann Schmidt (1949 – 2025), Verlagsmanager, kennt Bissinger als “Freund und Kollege” (S. 6) und schrieb auch viele Fußballbücher, teils mit Ko-Autorin Miriam Bernhardt.
Willi Winkler in der Süddeutschen Zeitung über die Bissinger-Biografie:
Kein Firmensenior könnte sich eine beflissenere Festschrift wünschen, die mit Ruhmreden nicht geizt und Stilblüten keineswegs verschmäht.
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Klare Fronten:
Bissinger war
für die Bertelsmänner in Gütersloh ein rotes Tuch geworden, nach dem sie mit ihren Hörnern jagten
Klare Fronten. Bissinger habe gleichwohl Freunde aus allen politischen Lagern gehabt, doch
Rechtsradikalismus ist für ihn natürlich ein absolutes „no go“.
Natürlich. Auch die Töchter loben den meist abwesenden, später geschiedenen Vater durchweg. Ernste Kritiker, Konservative oder Untergebene kommen kaum zu Wort. Privatleben findet nur in wenigen Absätzen statt.
Wider “restaurative Kräfte”:
Die Autoren scheinen mit dem Linken Bissinger auch politisch auf einer Linie zu liegen, reden sie doch mehrfach über
die restaurativen politischen Kräfte in Westdeutschland
Schon von der jungen Angela Merkel reportieren sie, dass sie
stets bemüht ist, die Interessen der wirtschaftlich Mächtigen im Lande zu bedienen.
Sie kommentieren nicht die Ironie, dass der Proto-Linke Bissinger, den “die Bertelsmänner in Gütersloh… jagten” (s.o.) später das Wort “Corporate Publishing” erfand und Hochglanz-Kundenzeitschriften für BMW, Siemens, Evonik betreute (und dass diese Kunden Bissinger akzeptierten). Laut Biografie half Bissinger sogar bei wichtigen Weichenstellungen in der deutschen Wirtschaft.
Bissinger, Schröder, Putin:
Von Bissingers „Die Woche” berichten sie, dass das Blatt
die Leitlinien der Schröder’schen ((sic)) Politik nahezu uneingeschränkt positiv begleitete. Er hatte immer zu Schröder gehalten, was denn auch sonst?
Ja, was denn auch sonst? „Die Woche” muss langweilig gewesen sein.
Irgendeine Kritik an Schröder oder an Bissinger lässt das 2019 erschienene Buch nicht erkennen. Zwei Lichtgestalten, beide traf man für dieses Buch persönlich. Und Lichtgestalt Manfred B. sagt im Buch:
”Politisch verbindet uns heute vor allem die feste Überzeugung, dass unser Land ein gutes und friedliches Verhältnis mit Russland haben muss… es sichert den Erhalt des Friedens in unserem Land und in Europa, wenn wir Wladimir Putin und das russische Volk als gleichberechtigte Partner akzeptieren.“
Das ist in der Tat visionär und wird von den Biografen nicht eingeordnet.
Mehrfach unterstellen die Autoren, Bissinger habe Schröders Politik geprägt, so in der Haltung zum Irakkrieg oder bei der Agenda 2010. Belege, Indizien fehlen, doch „es steht zu vermuten” (S. 230). In einer Biografie lese ich gern Handfesteres als „Vermutungen“.
Whisky-Vorräte und Zoff:
Das Buch liefert ein paar nette Szene-Einblicke, aber 0 Analyse. Viele große Schwarz-Weiß-Bilder von bekannten Männern, aber keins von einer Bissinger-Zeitschrift, auch nicht von Bissingers Eigenschöpfung „Die Woche”, und das, obwohl die Biografen darin
in Format und Gestaltung einen völlig neuen Typ von Zeitung mit Elementen der Zeitschrift, mit Farbe, Grafiken, Illustrationen
sahen.
Wir hören stattdessen von redaktionellen Whisky-Vorräten und vom Zoff zwischen Bissinger und Schlussredaktion (Wolf Schneider).
Einmal geht es länger um einen stern-Beitrag von Heiko Gebhardt, in dem sich Willy Brandt schlecht behandelt fühlte und daraufhin handschriftlichen an seinen Bekannten Manfred Bissinger schrieb; der Vorgang belegt im Buch mehrere Seiten, hat aber mit Bissinger nichts zu tun, ebenso wenig wie die Heinrich-Lübke-Exegese mit lächerlichen Sätzen, die Lübke tatsächlich nicht gesagt haben soll.
Recherchen:
Laut Vorwort sichteten die Autoren auch “Bissingers weit über 100 Kisten voller Manuskripte, Unterlagen, Korrespondenzen und Recherchen“, die ein Archivar schon aufbereitet hatte, so dass eine „besonders authentische Arbeit“ möglich wurde.
Die Autoren loben Bissingers Recherchen wiederholt über den Klee:
Eine authentischere Berichterstattung über die Studentenrevolte hat es damals in keiner anderen deutschen und europäischen Zeitschrift gegeben.
Sie sagen aber nicht viel über Bissingers Recherchemethoden, über die Artikel der Konkurrenz von Spiegel und Süddeutscher oder über Bissinger als Chef und Kollege. Rudolf Augstein vom “Spiegel” figuriert im Buch kaum, und sie fragen nicht, warum Bissinger und der „Spiegel“ nie zusammenarbeiteten.
Sie bringen längere, starke Bissingerartikel wortwörtlich, ohne den Text einzurücken oder sonstwie typografisch abzusetzen; nur Anführungszeichen gibt es.
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Unklare Zeitangaben:
Die Autoren formulieren wiederholt unglücklich, etwa früh im Buch über einen Dauerstreit des jugendlichen Bissinger mit seinem Vater:
Erst Jahre später, so berichtet Schwester Elke, zu der Zeit, als Manfred in München als Chefredakteur bei „Natur” arbeitete, hätten sich beide ausgesprochen und versöhnt.
Und wann war das also? Der Leser weiß noch nicht, wann Bissinger bei “Natur” anfing. (Biograf Hermann Schmidt weiß es, weil er für den Verlag von „Natur“ arbeitete.) Warum schreiben sie nicht “Erst gut 20 Jahre später…”, der Satz wäre dann auch kompakter.
Treuherzig wiederholen die Autoren auch schlichteste Fehler der Biografenzunft, wenn es etwa auf Seite 72 heißt:
Seit 1998 hat sie 63,5 Prozent der Auflage verloren.
Von 1998 bis wann? So wie der Satz formuliert ist, informiert er nicht. Soll ich jedes Mal nachgucken, wann die Bissingerbiografie Redaktionsschluss hatte? (Scheinbar Frühjahr 2018.)
Über Tochter Anja Bissinger heißt es: Sie
ist dann vor einem Jahr nach London gezogen.
Alles klar. Meist liest sich das trotzdem leicht, nur gelegentlich scheppert es nominal:
((Sie)) legen eine herausragende Informiertheit an den Tag.
Sie sagen auch „Konflikt über“ und reden vom (S. 50)
Sohn einer unehelichen Schneiderin
Ich ahne, was Manfred Bissinger von dieser Biografie hält.
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