Rezension Teheran-Memoiren: Honeymoon in Tehran: Two Years of Love and Danger in Iran, von Azadeh Moaveni (2009) – 8 Sterne

Azadeh Moaveni schreibt schlank, lebendig, bildhaft, unterhaltsam – wie man es von einer Time-Autorin erwartet. Längere Gedankenströme zu Politik oder Moral bettet sie stets in ihr Alltagsleben ein: Moaveni schildert, wie sie am Herd ein Curry versalzt und dabei die Rolle der Ayatollahs seit dem 7. Jahrhundert überdenkt; wie sie im Taxi sitzt und die Unterdrückung der persischen Frau reflektiert. Mitunter wirkt diese Technik etwas mechanisch.

Moaveni berichtet kühl zurückgenommen:

Immerhin, Moaveni verzichtet auf jeden verbalen Bling, schreibt zum Beispiel auch in der Vergangenheit statt in der etwas dramatischeren Präsensform. Sie wird nie wortreich oder selbstgefällig. Im Gegenteil: Auch wenn wir tief in ihr Leben blicken – samt Hysterie, Verwandtschaft, Liebe, Hochzeit, Kreißsaal: die privaten Ereignisse gehen immer als (multi-)kulturell, politisch oder soziologisch signifikant durch.

Mitunter verzichtet Moaveni schon fast heroisch auf weitere Einblicke in ihr Leben:

  • Wir suchen seitenlang (unterhaltsam) in Teheran mit ihr nach liberalen Frauenärzten und der richtigen Entbindungsklinik, zittern, dass der Mann mit in den Kreißsaal darf: doch ob es dann eine leichte oder schwere Geburt war, kein Wort davon.
  • Ganz am Rand erwähnt Moaveni gefährliche Reportagereisen in den Irak und nach Afghanistan, doch nach zwei Zeilen sind wir beim nächsten Interview-, Arzt- oder Kaffeehaustermin in Teheran, fluchen über wackelige Handyverbindungen, macchiavellistische Presseaufseher, steigende Gemüsepreise und die unverantwortliche Rhetorik der Bush-Regierung.

In Verbindung mit der Heirat in Teheran muss Moaveni auch einen staatlichen Ehe-Kurs belegen. Sie erzahlt davon im Buch und auch in diesem Video:

Vergleich mit dem Vorgänger-Buch:

Honeymoon in Tehran erinnert stilistisch und konzeptionell weitgehend an den Vorgänger Lipstick Jihad. Das bedeutet auch, dass wir aus der iranischen Provinz praktisch nichts erfahren, abgesehen von kurzen, wenig aufschlussreichen Wochenendtrips. Um so plastischer dagegen das Bild des wohlhabenden Teheraner Nordteils Tajrish und der ärmeren südlichen Stadtviertel, aus denen die unsäglichen Basidschi-Moralwächter stammen.

Als sie Honeymoon in Teheran schrieb, war Moaveni fast schon 30, verheiratet und Mutter; und vielleicht deshalb klingt dieses Buch etwas verhaltener, argumentativer und abwägender als das mit 24 fertiggestellte, teils sehr lebhafte Lipstick Jihad. Moavenis Erstling versammelt auch mehr kuriose Figuren aus der Verwandtschaft.

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Keine Angst vor Risiko:

Moaveni lebt intensiv, sie weicht Risiko und Konflikten nicht aus, erträgt die elenden Demütigungen im Gottesstaat jahrelang und steht zwischen allen Kulturen: Kalifornien hier, öffentlicher Iran da, und dann noch der Iran hinter der verschlossenen Haustür. Doch während das Buch jederzeit Moavenis Engagement für den Iran – spezieller: für persische (nicht arabische) Kultur und für einen toleranten Schia-Islam – offenbart, wird ihr Interesse an Multikultur-Themen weniger deutlich.

Einmal aber erwähnt Moaveni ganz nebenbei, wie ein Roman des Multikultur-Schreibers schlechthin, V.S. Naipul, sie besonders berührt hat; und online finden sich mehrere Buchbesprechungen Moavenis, in denen es um ein Leben zwischen mehreren Kulturen geht, ohne dass Muslims dabei eine Rolle spielen.

Ebenfalls vom Iran und von Teheran erzählen Tara Bahrampour und Ramita Navai in ihren Büchern.


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