Die Autoren schreiben sehr lesbar, in jedem Kapitel zunächst orientiert an einzelnen, eventuell anonymisierten Personen – Annotatoren, Investoren, Techniker, Ingenieure. Sie schreiben nie detailliert über private KI-Endanwender – jedoch über KI-Einsatz in Amazon-Lagerhäusern und Personalabteilungen. Urheberrechtsverletzungen werden nur bei einer kopierten Sprecherstimme ausführlich diskutiert, nicht bei Text; möglicher politischer Missbrauch durch Demagogen kommt gar nicht vor.
Gelegentlich finden sie richtig gute Sätze, etwa über die strapazierten Klickarbeiter in Kenia:
Workers are forced to work like robots in the hope that AI will become more like a human.
Ein ähnlich leicht konsumierbares, dabei nüchternes, hoch informiertes und seriöses Buch aus deutscher Feder erscheint schwer vorstellbar. (Ich kenne nur die englische Ausgabe und kann die Eindeutschung nicht beurteilen.)
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Technik, Arbeitnehmerrechte, Psychologie, Energieversorgung, Standortfragen:
Freilich sind die Einzelpersonen nur Aufhänger für den Einstieg ins Kapitel: sie erscheinen meist in der ersten Zeile; doch die Mehrzahl Seiten pro Kapitel behandelt künstliche Intelligenz allgemein, nicht einzelne Akteure: So bestreitet die ugandische Klickarbeiterin Alice weniger als die Hälfte des Kapitels, das mit ihr beginnt; die Ingenieurin Li hat nur knapp 1,5 von 5 Unterkapiteln ihres Kapitels – die Autoren schwenken schnell aufs Großeganze, berichten über Technik, Arbeitnehmerrechte, Psychologie, Energieversorgung, Standortfragen, Umwelt, Kolonialismus, Unterseekabel, Urheberrecht, kreative Berufe, Lagerverwaltung, Philosophie, Personalmanagement, feudalen Landbesitz im mittelalterlichen England. Sie berichten ausführlich über Organisation und Arbeitnehmer in Amazon-Lagerhäusern in England, blicken jedoch nicht genauer in die Zentralen von Amazon, Alphabet, Meta, OpenAI, Microsoft, Palantir. Apple und Tesla werden praktisch gar nicht erwähnt.
All diese Firmen sind für die Autoren mit einem Zitat von Noam Chomsky
‘islands of tyranny’, and their foundations were laid on the basis of particular histories of genocide, racism and exploitation.
Alles ist wahr:
Überraschend, aber womöglich nötig: die Autoren versichern im Vorwort, dass alles wahr ist. (Sie schreiben nicht, dass ihr Buch ohne KI entstand.) Die Autoren betonen auch, dass aus Platzgründen bestimmte Berufsgruppen fehlen, etwa Minenarbeiter oder Fabrikarbeiter. Private KI-Endanwender erhalten auch keinen Raum; es gibt jedoch ein Kapitel über einen Gewerkschaftsaktivisten mit langen Anschlussgedanken über die Möglichkeiten gewerkschaftlicher Arbeit in afrikanischen und US-Datenzentren.
Die Autoren berichten aus Kenia, Uganda, Irland, Island, dem Vereinigten Königreich und den USA – Asien erscheint nur am Rand, Festlandeuropa praktisch gar nicht. Während sie immer wieder über Bildannotation reden, erfahren wir nichts über Textannotation – das hätte mich auch interessiert.
Zur Frage, ob die KI hochwertige Bücher oder Bilder erzeugen kann, bringen die Autoren markante Beispiele von vor 2020. Abgeschlossen haben sie ihr Buch jedoch erst ca Ende 2023, und vielleicht gab es da schon bessere Ergebnisse?
Arbeitnehmerfreundlich:
Die Autoren sind eindeutig auf Seiten der Klickarbeiter, sie vergleichen die Arbeitskontrolle in dem ugandischen BPO-Zentrum mit der Organisation von Sklaven- und Fabrikarbeit vor hunderten Jahren; der Hund einer Programmiererin heißt Carl Barx (hört die Signale!). Selbst bei Island erwähnen sie die koloniale Verbindung zu Dänemark und Beschlüsse aus dem 17. Jahrhundert. Und klar doch:Â
these underwater cables have their own politics and history as an integral part of European colonialism the creation of a global capitalist market… they were often designed for the purpose of extracting wealth and allowing foreign powers to control and dominate far away communities
Ein Kupferkabel zwischen Florida und Kuba verband
the United States government to their puppet regime, led by the military dictator Fulgencio Batista
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Zwei Stunden Fußweg:
Die Autoren beschreiben auch die Lebensumstände einzelner Arbeiter – in Uganda 2 Stunden Fußweg ins Rechenzentrum, in London dagegen vor der Arbeit Fitness, Meditation und Vitamintabletten.
Die Autorin zitieren ein berühmtes Experiment von Donald Michie 1963, in dem er mit Streichholzschachteln und Perlen maschinelles Lernen simulierte. Der Versuch gilt als erfolgreich und eindrucksvoll, aber ich habe ihn nicht verstanden – weder in der Beschreibung der Autoren noch in meiner Nachfrage bei einer KI. Ich habe verstanden, was Michie getan hat, aber ich verstehe nicht, warum das als maschinelles Lernen gilt.
Persönliche Erklärung:
Ich kann eigentlich nur Romane und Biografien lesen – Texte, die einzelne Personen verfolgen mit Handlung, Konflikt und am besten Dialog. Ich hatte die Ankündigung des Buches so verstanden, dass die KI-Arbeiter detailliert vorgestellt werden; Individuen bekommen aber höchstens ein Fünftel des Buchs, der Rest ist doch allgemein, und er ist sicherlich wichtig, informativ und gut recherchiert; aber er hält meine Aufmerksamkeit nicht, und die ständige Gewerkschaftsperspektive ödete mich an, ebenso wie spekulative und philosophische Seiten; allemal interessant auch ohne individuellen Akteur fand ich faktenbasierte Einblicke in ugandische Klickfabriken, isländische Rechenzentren oder gruselige, KI-gesteuerte Amazon-Lagerhäuser (samt historischer Parallele zu Henry Fords Fließbandarbeit, wie bei diesem Autoren nicht anders zu erwarten).
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