Bollywood-Polit-Film: Yuva (2004, mit Abhishek Bachchan, Ajay Devgn, Rani Mukerji, Regie Mani Ratnam) – 6 Sterne

Polit-Drama um Studi-Revoluzzer in Kalkutta. Deutlicher als andere Filme des Regisseurs Mani Ratnam erinnert Yuva dabei an ordinäres Bollywood: So gibt es eine öde Techno-Tanznummer in einer Studio-Disko und alberne Prügeleien, bei denen Fäuste in die Luft hämmern, “Dishoom” machen, am anderen Ende des Raums jemand zusammenbricht und anderntags mit einem Pflaster am Hals wieder herumläuft. Ein Kaliber für sich ist allerdings die rasante Prügelei mitten im rauschenden Verkehr auf Kalkuttas Howrah-Brücke – sie wirkt in der Tat dramatisch, auch wenn die letzte Einstellung auf den herannahenden Lkw überdramatisiert (Hauptdarsteller Vivek Oberoi brach sich hier ein Bein, die Arbeiten wurden um drei Monate verzögert).

Nicht alle Schauspieler überzeugen:

Ebenfalls typisch Bollywood – und an einen anderen Studentenrebellenfilm erinnernd, an Rang de Basanti: Manche Darsteller erscheinen zu alt für Ihre Rolle, insonderheit Ajay Devgn als Studentenführer (und umgeben von zahlreichen Jünglingen im echten Studentenalter).

Abhishek Bachchan muss einen chronisch aggressiv brodelnden Ganoven simulieren; er grimassiert zwar nicht so over-the-top wie in anderen Streifen, dennoch wirkt er als Brutalo unplausibel und sollte sich auf Zuckermandelgeckrollen beschränken (wie in Dostana oder Khabi Alvida Na Khena, auch als Unternehmer in Ratnams Guru passte er besser). Bachchan bleibt sehr weit entfernt vom angry young man, den sein Vater Amitabh Bachchan in den 70ern hinreißend verkörperte.

Um so besser – überraschend – Rani Mukerji: Sonst gern die Prinzessin Porzellantasse von Bollywood, spielt sie hier eine ordinäre Hindu-Hausfrau sehr geerdet, sehr nüchtern. Vielleicht die beste Leistung im Film, ich hätte ihr gern länger zugesehen. Aber auch Om Puri als durchtriebener Politico überzeugt. (Ratnam versammelt in Yuva so viele Bollywoodstars, dass man unwillkürlich den sonst allgegenwärtigen Anupam Kher sucht.)

Song&Dance enttäuschen:

Meistermusiker A.R. Rahman (der auch bei Rang de Basanti dabei war) verdiente mit Yuva zu recht keinen Oscar. Ein, zwei Nummern bezaubern halbwegs, die anderen bleiben charakterlos. Besser als Bombay (1995, Regie Mani Ratnam), doch weit weniger markant als Dil Se (1998, Regie Mani Ratnam).

Abgesehen von der Diskonummer gibt es keine echten Bollywood-Tänze. Die anderen Lieder untermalen Handlung. Und so wirkt Yuva doch im Vergleich zu üblicher Bollywoodware deutlich realistischer, zumal Ratnam nie superreiche Figuren erfindet und das Thema Liebe weniger im Vordergrund und weniger verklärt behandelt wird; für Ratnam-Verhältnisse zeigt der Film aber relativ wenig Momentum, und das trotz der brisanten Materie.

Obwohl Anurag Kashyap für die Hindi-Dialoge verantwortlich zeichnet, gibt es hier wenig Markantes – wohl, weil er schon aus dem Tamilischen ins Englische übersetzte Vorgaben zu beachten hatte (der Film wurde mit anderer Besetzung auch auf Tamil gedreht). Kashyap sagt, er habe besonders die Bachchan-Figur, den Ganoven Lallan, geprägt; der darf für Hindi-Film-Verhältnisse relativ ordinär schwadronieren. Meisterfilmer Ravi K. Chandran zeigt eine solide Leistung an der Kamera, will aber (bewusst?) nicht betören.

Gelungener Aufbau:

Yuva hat eine schöne Struktur. Das Zusammentreffen der drei Hauptakteure auf der Brücke wird mehrfach abgespielt. Nach jeder Wiederholung erscheint eine lange Rückblende auf eine bestimmte Filmfigur. Mehr und mehr laufen die Einzelschicksale aufeinander zu – über insgesamt 160 Minuten. Ob Politik in Indien so funktioniert, wie Ratnam in Yuva insinuiert, weiß ich nicht. (Ich musste auch an einen anderen Bollywoodfilm um einen Studi-Revoluzzer denken, an Raanjhanaa.

Ratnam betont Kalkutta und Bengalen. Unentwegt sieht man die Wahrzeichen der Stadt – Hoogly-Brücke, Maidan, Straßenbahn, auch mal das Victoria Monument. Dennoch schien mir Yuva weniger “Kalkutta” oder “Bengali” zu sein als bestimmte Filme von Satyajit Ray, Aparna Sen, Aniruddha Roy Chowdury oder sogar das gelackte Parineeta. Und schließlich wurden einige “bengalische” Szenen erkennbar in Südindien gedreht (wo Ratnam ja auch die separate Tamil-Variante mit zumeist ausgewechselten Schauspielern produzierte).


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