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Kritik Biografie: Theodor Fontane, von Regina Dieterle (2018) – 7 Sterne
Regina Dieterle berichtet zu ausführlich von Theodor Fontanes Eltern und Großeltern, auch von Napoleon, Preußen und Sachsen. Immerhin schreibt sie meist lebendig und wissenswert für Geschichtsinteressierte. Sie portraitiert vor allem in der ersten Hälfte auch Randfiguren und deren Ehefrauen seitenlang. In Leipzig schreibt Dieterle sogar über Promis, die Jung-Apotheker Theodor Fontane explizit nicht traf: Leipzig 1841 – ohne Schumann, Mendelssohn, Bach? Bekannte Schriftsteller wie Gerhart Hauptmann oder Theodor Storm spielen nur Minirollen; Gottfried Keller wird angesprochen, aber nicht getroffen. Der anglophile Fontane las zudem allerlei Engländer, doch scheinbar nicht Jane Austen. Weit ausführlicher begegnet der (ich gendere nicht) Leser dem Fontane-Clan, seinen Freunden sowie allerlei Regierenden und Verlagsmenschen bis hin…
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Kritik Biografie. Raymond Carver, A Writer’s Life, von Carol Sklenicka (2009) – 8 Sterne
Carol Sklenicka schreibt einfühlsam, fast literarisch, gelegentlich mild psychologisierend und in melodischem, gut lesbarem Englisch. Sie bringt die Essenz Carverscher Kurzgeschichten in fast schlichten Worten stimmig auf den Punkt. Sklenicka setzt die Pronomen so, dass Bezüge nie unklar klingen, eine Meisterleistung. Ich würde vielleicht auch Romane von ihr lesen. Sklenicka sprach von 1994 bis 2009 mit hunderten Wegbegleitern und flüchtigen Bekannten; nur Carvers zweite Frau Gallagher schwieg. Die Biografin zeichnet nach, wie Raymond Carver Inspiration zu seinen Stories sammelte, etwa die Entstehung der Geschichte Kathedrale und wie sie für Carver selbst eine Abkehr vom alten, betont kargen Stil bedeutete. Sie sieht viele Bezüge zwischen Carvers Gedichten und seiner Jugend (zitiert…
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Annehmbar, Auswandern, Biographie, Buch, Historisches Buch, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Sachbuch
Kritik Biografie: Die Löwin. Tania Blixen in Afrika, von Tom Buk-Swienty (2019, or. Løvinden – Karen Blixen i Afrika) – 6 Sterne
Fazit: Tom Buk-Swienty liefert weit mehr Fakten und Bilder als andere Biografen, und er nutzt neu erschlossene Quellen, vor allem zu Blixens Financier und Onkel Aage Westenholz. Er beschreibt ausschließlich Tania Blixens afrikanische Zeit, und das auf über 700 Seiten. Die Biografie lässt sich leicht lesen, obwohl sie (jedenfalls in der Eindeutschung von Ulrich Sonnenberg) sprachlich unterwältigt und ermüdend Krise an Krise reiht. Amazon-Werbelinks: Jenseits von Afrika | Tania Blixen | Ganz Afrika | Kenia Männer, Heuschrecken, Dürre, Krieg, Krankheit: Buk-Swienty kommt Tania Blixen nicht nah, klingt zuweilen spöttisch, herablassend oder leiert schlicht die Fakten aus seinem riesigen Materialberg herunter, hier aus einem einzigen Absatz: Ein paar Stunden später erreichten…
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Lese-Eindruck Biografie: Heinrich Heine, Die Erfindung des europäischen Intellektuellen, von Rolf Hosfeld (2014)
Kulturjournalist und Heine-Doktorand Rolf Hosfeld (1948 – 2021) interessiert sich vor allem für Weltgeschichte, Literaturgeschichte und Philosophie und weniger für Heinrich Heines Alltag und Mentalität. Ich konnte nur die erste Hälfte komplett lesen; dann wurde es mir zu wolkig, und ich habe die zweite Hälfte nur punktuell studiert. Amazon-Werbelinks: Heinrich Heine | Heinrich Heine Biografie | Deutsche Geschichte 19. Jahrhundert Rolf Hosfeld plaudert teils munter dahin. Er setzt jedoch mächtig Kenntnisse voraus, etwa hier*: Kontinentalsperre… sein Golgatha erleben… synkretistisch… ein umgekehrter Barbarossa ((2x))… Etymologien seines Lebens… Karlsbader Beschlüsse… anakreontischen Geist… ein prophetischer Synkretismus der Freiheit wie die Sederfeier… die Idiosnykrasien… die erleuchtende Peripetie einer antiken Krisis-Vita… Und manchmal klingt er…
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Buchkritik. Goethe und Friederike, Wahrheit und Dichtung, von Theo Stemmler (2019) – 5 Sterne
Dies ist eine Plauderei unter Gelehrten, eine Materialsammlung, aber keine Teil-Biografie für Laien. Ein Narrativ, ein Gefühl für den Lauf der Zeit entsteht nicht: Bei der Gliederung orientiert sich Autor Theo Stemmler nicht an der Chronologie, sondern an unterschiedlichen Quellen, die mehrfach neu ansetzen, oder an undefinierten Kriterien. Goethes frühe Herzensdame Friederike Brion interessiert den Autor schon gar nicht, eher Goethes Herzenslyrik, die Friederike inspirierte. Theo Stemmler zitiert wo immer möglich Zeitgenössisches, doch primärste Quellen fehlen: Es gibt keinen erhaltenen Brief, der zwischen den Turteltauben Johann Wolfgang und Friederike hin und her ging, nur ein Brief-Entwurf Goethes blieb erhalten. Es gibt auch kein authentisches Bild von Friederike. So zeigt das…
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Kritik Biografie. John Updike, von Adam Begley (2014) – 7 Sterne
Biograf Begley betont, dass er Updike mag, bewundert, dass er ihn posthum weiter fördern will. Mehr noch: Als Literaturjournalist traf er John Updike (1932 – 2009) ein paar Mal und erlebte ihn als professionell freundlich; und Begleys Eltern waren mit Updike kurz befreundet – Updike bespaßte den ca. 2jährigen Adam Begley (*1959) mit Jongliertricks. Amazon-Werbelinks: Adam Begleys Updike-Biografie | John Updike Romane | John Updike Kurzgeschichten | John Updike Englisch | John Updike insgesamt Freundlich: Begley betrachtet John Updike (deswegen?) sehr freundlich, kritisiert nur einzelne Werke, lobt viel und übergeht das schwache Spätwerk freundlich schweigend: „Updike’s virtuosity“, „this ambitious, formidably intelligent novel“, aber auch mal „thin and stretched and uncomfortably…
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Kritik Biografie. Heinrich Heine, von Jan-Christoph Hausschild u. Michael Werner (1997) – 6 Sterne
Die Sprache ist nicht direkt professoral oder zu verschachtelt, aber doch im ersten Teil glanzlos und nicht achtsam leserfreundlich. Immerhin gibt es Sätze mit über 60 Wörtern (z.B. S. 59*, „Das hinderte ihn aber nicht…“). Der zweite Teil (Paris) ist keine Chronologie, sondern eher eine Aufsatzsammlung. Auf Amazon: Heinrich Heine | Heinrich Heine Biografie | Deutsche Geschichte 19. Jahrhundert Kein positives Kontinuum: Im Deutschland-Teil (die ersten zwei Buchfünftel) sagen Jan-Christoph Hauschild u. Michael Werner (*1955 u. 1946) Fades wie „Kontributionen“, „Konskriptionen“, „determiniert“, „Akkulturation“, „die Weiterführung erfolgte“, „Dekalog“, „Pauperisierung“, „wohlweise Regierung“, „innere Korrelation dieser beiden Haltungen“, „Evasionsplan“, „Evasionsreflex“, „kein positives Kontinuum“, „Peripetien“, „ausgeschiedenen Bruchstück“, „ganze Partien des Textes waren von ihm…
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Kritik Biografie. Heinrich Heine, von Christian Liedtke (1997, 2006, rororo Monografie) – 7 Sterne
Christian Liedtke (*1964) schreibt ruhig und flüssig, unprofessoral und uneitel. Er baut viele kursivierte Heine-Zitate ein, die generell pfiffig, frech und liebenswert klingen – Heinrich Heine (1797 – 1854) hatte hörbar Herz, Hirn und Hormone am rechten (linken) Fleck. Liedtke zitiert vor allem die Briefe Heines und seiner Zeitgenossen (es gibt 862 Endnoten mit Quellenangaben), dazu etwas Lyrik, aber kaum Prosa. Amazon-Werbelinks: Heinrich Heine | Heinrich Heine Biografie | Deutsche Geschichte 19. Jahrhundert Weder Zweck noch Mittel: Die Biografie legt keinen Wert auf Live-Charakter und Zeitkolorit, sondern auf geisteswissenschaftliche Entwicklungen: „Der plaudernde, anekdotenreiche Stil“ seines Sujets könne in die Irre führen, versichert Liedtke: Heine lieferte „ohne Frage eine philosphische Leistung,…
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Belletristik, Buch, Frankreich, Gut, Historisches Buch, Hot Country Entertainment, Mediterran, Roman
Kritik Roman, Essay: Hintergrund für Liebe, von Helen Wolff, Marion Detjen (2020) – 8 Sterne
Ich mag pathosfreie Romane über Liebe, ich mag Mediterranien; und ich mag Schriftstellerbiografien, sofern die Protagonisten auch außerhalb der Schreibstube was erlebten. All das bekomme ich hier luftig leicht, frisch und lebendig. Fein. Dichtung Im Roman Hintergrund für Liebe schildert Helen Wolff ihr südfranzösisches Liebes- und Landleben schmalzfrei mit Herz, feinsinnig, mild selbstironisch, unaufdringlich originell und mit teils unbürgerlichen Ansichten. Eine sympathische, eigenwillige Erzählstimme. Auf fällt, dass die Ich-Erzählerin gern Ansagen von Männern bekommt: ((Ich)) tue, was ein fremder Herr von mir will: Ich belege einen Platz im Autobus nach Toulon. Ohne klare Anweisungen fehlt ihr was, so kurz nach einer Trennung: Ich bin ein paar Tage Frau gewesen und…
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Kritik Biografie. Selina Hastings: The Secret Lives of W. Somerset Maugham (2009) – 8 Sterne
Selina Hastings erzählt sehr flüssig, ohne aufzutrumpfen oder die Zeit literarisch zu pimpen – sie textet eher distanziert*. Elegant, fast anmutig schwebt sie von Recherche zu Zitat, vom Allgemeinen zum Konkreten, von Liebe zu Literatur. Das liest sich hervorragend und spannender als erwartet – von Profikritikern gab’s viel Lob. Natürlich liefert Hastings Bezüge zwischen Maughams Leben und seinen autobiografisch grundierten Erzählungen. Zu vielen Maugham-Veröffentlichungen bringt Hastings lange Inhaltsangaben, Interpretation und Pressestimmen, teils auch Meinung aus dem Lektorat (als er noch lektoriert wurde). Schön auch, dass sie französische Sätze zugleich im Original und übersetzt wiedergibt. Gelegentlich klingt sie so trocken wie ein Romancier. So über Maughams Frau (S. 249): Syrie had…
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Kritik Sachbuch. Dagmar von Gersdorff: Marianne von Willemer und Goethe, Geschichte einer Liebe (2003) – 3 Sterne
Dagmar von Gersdorff scheint die Goethe-Marianne-Geschichte als bekannt vorauszusetzen: Sie erzählt mit vielen kleinen, irritierenden chronologischen Sprüngen. Fragen bleiben immer wieder offen, und der Leser kann nur hoffen, dass die Autorin verblüffend gekappte Erzählstränge später wieder aufgreift. Ich kenne einige Biografien und weiß, dass deutsche B-Promis oft schlecht biografiert werden (meist schlechter als angelsächsische B- oder C-Promis). Nie habe ich so oft frustriert den Kopf geschüttelt wie bei diesem Buch: von Gersdorff verweigert Übersicht und leserfreundliche Klarheit beharrlich. Sie hat eine zauberhaft-dramatische Geschichte an der Hand, prima Quellen und – vermasselt’s. Nur wegen des hervorragenden Ausgangsmaterials blieb ich dran. Auf Amazon: Marianne von Willemer | Goethe | Dagmar von Gersdorff…
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Lese-Eindruck Sachbuch. Elisabeth Binder: Im Prinzip Liebe. Goethe, Marianne von Willemer und der West-östliche Divan (2019)
Die Journalistin und Belletristin Elisabeth Binder schreibt sehr eigenwillig. Kenntnisreich zitiert sie andere Künstler, Werke und Zeiten. So referenziert sie Johann Sebastian Bach, Heinrich Heine, Napoleon, Hamlet, Thomas Manns Lotte in Weimar, Goethes Urpflanze/Römische Elegien/Sizilien-Erlebnisse/Farblehre/Wahlverwandtschaften/Liebesgedichte des 22jährigen – Nichtprofessoren schwirrt der Kopf. Etwas spöttisch tönt Binder auf Seite 102: Dass ohne die Erläuterungen eines Kommentars dem Leser manches merkwürdig oder rätselhaft bleibt ((…)), tut im Grunde nichts zur Sache. Und wissen muss man auch nicht, welche ((…)) Aber warum kaufen wir Binders Buch denn? Im Flow: Von der Beziehung Goethe-Marianne berichtet Elisabeth Binder (*1951) nur in etwa einem Viertel des Buchs. Wichtiger sind ihr einzelne Gedichte aus dem West-Östlichen Divan,…
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Rezension Kurzgeschichten, Gedichte, Kritiken: The Collected Dorothy Parker (Penguin Classics 2001) – 7 Sterne – mit Ausgabenvergleich, Links & Hintergründen
Dorothy Parker ist bekannt für extrem sarkastische, selbstironische Gedichte und Kurzgeschichten über das Liebes- und Sozial-Leben im New York der 1920er bis 1940er Jahre. Dieser gut 600seitige Sammelband zeigt: Oft schreibt Dorothy Parker gar nicht so amüsant hochtourig sarkastisch. Nicht überall lauern köstliche Einzeiler. Einige Kurzgeschichten klingen einfach stark satirisch oder auch psychologisch genau, sozialkritisch, mitunter melancholisch bis verbittert. Parker schreibt zumeist über Mittelschichtfiguren, sie karikiert Großtuerei, Heuchelei, Hinterhältigkeit, Eifersucht und Vielweiberei – in diesem Band teils repetitiv. Herzlose Männer beherrschen das Feld, Frauen hecheln ihnen verliebt nach, aber sie zicken und intrigieren auch. Ärmere Frauen wünschen sich reich. Kein Paar lebt harmonisch, will dies jedoch vorspiegeln. Parker schreibt nüchtern…
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Buchkritik: Erinnerungen einer Überflüssigen, von Lena Christ (1912) – 7 Sterne
Dieses Buch bietet genug Anlässe, es aus dem Fenster zu werfen: eine kitschig-idyllische oberbayerische Kindheit mit Karikaturdörflern; das Personal ein krasses Schwarzweiß aus bösartigen Monstern (u.a. die Mutter der Ich-Erzählerin) und Herzensguten (viele Fremde, aber zufällig auch die Ich-Erzählerin und ihr Opa); viele Seiten in einem absurd bigotten Kloster. Doch die Memoiren bezaubern mit liebreizendem Bairisch (nur in den zahlreichen Dialogen, kaum in der Erzählstimme), mit reizvollen Einblicken in versunkenene Welten; und Autorin Lena Christ (1881 – 1920) präsentiert auch Figuren mit Zwischentönen – so bei der platonischen Romanze mit einem katholischen Geistlichen. Christ erzählt zudem wie immer kurz angebunden, ohne ein Wort zuviel und unsentimental, ohne romantische Anwandlungen zu…
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Kritik Biografie: Keiner blickt dir hinter das Gesicht. Das Leben Erich Kästners, von Sven Hanuschek (1999) – 6 Sterne
Anders als Kästner-Biograf Klaus Kordon erzählt Sven Hanuschek Kästners Leben nicht nur nach dessen eigenen Veröffentlichungen – Hanuschek spricht auch mit Nachfahren, sichtet Archive und Melderegister, findet Fehler und Auslassungen in den Memoiren von Kästner und Kästner-Gefährtin Luiselotte Enderle (S. 176, S. 268 meiner Hardcover-Hanser-Ausgabe von 1999). Hanuschek entdeckt auch eine überraschende Verbindung zwischen Goebbels und Kästner (S.296). Sven Hanuschek schreibt nicht streng chronologisch, sondern nach Themen: So erhält die achtjährige Beziehung zu Ilse Julius ein eigenes Kapitel, der Roman Fabian/Gang vor die Hunde ein anderes. Die Frage, wer tatsächlich Erich Kästners Vater war, diskutiert Hanuschek in einem weiteren Kapitel – ohne klares Ergebnis. Chronologieschlingern: Dabei schlingert gelegentlich die Chronologie:…
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Kritik Biografie: Die Zeit ist kaputt. Die Lebensgeschichte von Erich Kästner, von Klaus Kordon (1995) – 7 Sterne
Klaus Kordon schreibt meist sehr eingängig und lebendig, teils fast romanhaft, auf nur rund 300 luftig bedruckten Seiten Haupttext (plus kurzer Anhang), ohne dass es aufdringlich nach Jugendbuch klingt. Und Kordon flicht – prima – viele unterhaltsame Kästner-Zitate ein, darunter Gedichtzeilen (als Lyrik umbrochen, nicht in langen Prosazeilen). Dass Kordon im Präsens textet, macht den Text lebendiger, führt aber öfter auch zu Wunderlichkeiten (S. 29 meines Beltz-TBs): Erich begleitet die Mutter oft ((…)) Noch als erwachsener Mann wird er das Ziehen in seinen Armen spüren, wenn er an diese Zeit zurückdenkt. Im Präsens und Futur über lang Zurückliegendes – das überzeugt begrenzt. Seltsam auch Konstruktionen wie (S. 23): Ursache dieses…
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Afrika, Annehmbar, Auswandern, Biographie, Buch, Historisches Buch, Hot Country Entertainment, Sachbuch
Kritik Biografie: Out of Isak Dinesen in Africa, von Linda Donelson (1995) – 6 Sterne – mit Video
Blixen-Biografin Linda Donelson (1943 – 2012) hat keine Wikipedia-Seite und schrieb offenbar nur dieses eine Buch. Donelson lebte ein gutes Jahr im kenianischen Ngong, also in der Gegend von Tania Blixens Farm. Donelson schreibt weitgehend nur über Blixens afrikanische Jahre, jedes Kapitel ist mit einer Jahreszahl überschrieben. Blixens frühe Jahre, Vorfahren und ihre nachafrikanische Zeit (rund 31 Jahre) beschreibt Donelson nur sehr gerafft (Tania Blixen, 1885 – 1962, ist auch als Karen Blixen und Isak Dinesen bekannt; sie lebte von 1914 bis 1931 in Afrika). Amazon-Werbelinks: Ganz Afrika | Südafrika | Kenia | Marokko Donelson lebte um 1978 in Kenia und besuchte das Blixen-Haus öfter mit Freunden. Sie saß gern…
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Afrika, Annehmbar, Auswandern, Biographie, Buch, Historisches Buch, Hot Country Entertainment, Sachbuch
Kritik Biografie: Tania Blixen, von Judith Thurman (1982, engl. The Life of a Storyteller bzw. Isak Dinesen The Life of Karen Blixen) – 7 Sterne – mit Videos
Thurmans Blixen-Biografie beleuchtet viele der betont vagen Passagen in Blixens Memoiren Jenseits von Afrika (noch genauer tut dies die spätere Blixen-Biografin Linda Donelson). Judith Thurman schreibt insgesamt ein sehr ausführliches, mir teils zu ausführliches Werk, das mit Tania Blixens Großeltern beginnt (Tania Blixen, 1885 – 1962, ist auch als Karen Blixen und Isak Dinesen bekannt). Thurman schildert Blixens Jugend mit literarischen und intellektuellen Einflüssen (u.a. Nietzsche, Georg Brandes, Shakespeare etc.). Thurman misst Blixen an Walter Benjamins Ansprüchen – weit entfernt von Afrika und glühender Liebe unter dito Äquatorsonne. Amazon-Werbelinks: Ganz Afrika | Südafrika | Kenia | Marokko Ungute Geister: Historische Geistergeschichten, die Blixen als 20jährige schrieb und teils veröffentlichen…
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Afrika, Annehmbar, Auswandern, Biographie, Buch, Historisches Buch, Hot Country Entertainment, Sachbuch
Kritik Memoiren: Jenseits von Afrika, von Isak Dinesen/Tania Blixen (1937); Schatten wandern übers Gras (1960) – 7 Sterne – mit Video
Das Buch ist nicht chronologisch, sondern eher thematisch angeordnet. Dabei geht es geht kaum um Mann+Frau, um Liebe – die bekannte Verfilmung von 1985 weckt völlig falsche Erwartungen. Im ersten Teil redet die Autorin nur allgemein über Land, Leute und einzelne Figuren auf ihrer ostafrikanischen Kaffeefarm. Es gibt keinen Dialog und keine durchgehende Handlung – nur Schilderung, Episoden und kleine Portraits. Dann befasst sie sich mit einzelnen westlichen Besuchern und einzelnen ostafrikanischen Volksgruppen: Masai, Kikuyu, Somalis. Dabei wirken die Europäer oft etwas verkommen und hoffnungslos, gelegentlich rassistisch, mit einer strahlenden Ausnahme; die Afrikaner erscheinen kindlich bis eigenwillig, teils stolz. Über einzelne Rassisten schreibt Tania Blixen betont nüchtern, die Handlungen und…
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Kritik Biografie: A Tragic Honesty: The Life and Work of Richard Yates, von Blake Baily (2003) – 8 Sterne
Biograf Blake Bailey hatte offenbar perfekten Quellenzugang: Alle Kinder, alle Ex-Frauen, viele Ex-Freundinnen, Schüler, Literaturbetriebler, aber auch Kellnerinnen und Wirte redeten mit dem Biografen, sogar Richard Yates‘ Psychiater packte aus. Das Archiv stand uneingeschränkt offen. Kunst und Leben: Wann möglich – also fast immer -, zieht Blake Bailey Parallelen zwischen Yates‘ Leben und Kunst. Dabei sollte man Yates‘ Geschichten möglichst gut kennen, zum Beispiel wissen, welche Figur welche Rolle in welchem Roman spielt. Für Yates‘ frühe Erwachsenenjahre sind seine Kurzgeschichten sogar noch wichtiger als die Romane. Bei solchen Fiktion-Leben-Vergleichen setzt Bailey zu genaue Yates-Kenntnisse voraus. So sagt Bailey z.B. über einen Yates-Bekannten (S. 168): He served as the model for…
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Rezension Biografie: Ernest Hemingway, von Mary Dearborn (2017) – 7 Sterne
Mary Dearborn schreibt weitgehend entspannt, angenehm zu lesen. Sie dramatisiert nichts. Sie schreibt nicht streng chronologisch, sondern liefert manchmal zeitliche Querschnitte, zum Beispiel zur Beziehung Hemingway-Fitzgerald. Lediglich Hemingways vorgezogener Selbstmord, dem noch einige Seiten über seine letzten zwei Lebensjahre folgen, befremdet – das klingt nachträglich montiert. Dearborn mag einige frühere Hemingway-Kurzgeschichten, insonderheit Kilimanjaro und Macomber, sowie ein oder zwei frühe Romane. Sie schildert Hemingways erste zwei Frauen Hadley und Pauline verhalten liebenswert. Ansonsten beschreibt die Biografin Ernest Hemingway, seine Frauen, sein Werk überwiegend negativ – stets nachvollziehbar gut begründet und nie eifernd, belehrend, parteiisch (ob sie ein stimmiges Gesamtbild liefert, kann ich nicht beurteilen). Hemingway war nach diesem Buch zumeist…
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Kritik Biografie: Italo Svevo, von François Bondy, Ragni Maria Gschwend (1995) – 6 Sterne
François Bondy und Ragni Maria Gschwend diskutieren zunächst die schwierige Quellenlage und führen ins Triest des 19. Jahrhunderts ein. Dann liefert die dünne, aber doch faktenreiche Italo-Svevo-Biografie Kapitel über Svevos Großeltern, Eltern, Svevos frühe Kindheit und die Zeit im deutschen Internat. Vieles ist nicht präzise belegbar. Ab der späteren Jugend – noch in Deutschland, dann zurück in Triest – bringen Bondy/Gschwend viele Querbezüge zwischen Svevos Leben, seiner Lektüre und seinem Werk und verarbeiten dabei auch Tagebücher des Svevo-Bruders Elio und Familienbriefe. Bondy und Gschwend schreiben sehr ernsthaft, interessiert und haben Svevosche Schauplätze erkennbar selbst besucht. Zu kurz kam mir Svevos Rolle als Firmenlenker, Chef und Familienvater und das Schicksal von…
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Biografie-Rezension: Der Mann, der nicht Simenon war, von Patrick Marnham (1993) – 7 Sterne
Patrick Marnham malt gern atmosphärisch aus, doch die Zeit vor Simenons Geburt beschreibt er zu ausführlich – Simenons Vorfahren und ihre Lebensumstände in Lüttich und andernorts. Auch Simenons Kindheit und Jugend erscheinen sehr ausführlich: Der Zeit, bis Simenon 1923 von Lüttich nach Paris zieht um seine Karriere zu beginnen, widmet die dt. Biografie-Ausgabe überproportional großzügige ca. 126 von ca. 400 S. Haupttext (i.d.engl. Ausgabe ca. 102 von 320 Seiten Haupttext). Da war Simenon (1903 – 1989) etwa 20 und hatte noch längst nichts unter eigenem Namen geschrieben. Einige Nebenfiguren beschreibt Marnham zu ausführlich, zu anderen gibt es wieder fast nichts. Ich las das Buch im engl. Original mit Stichproben in…
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Biografie-Rezension: Simenon, von Pierre Assouline (1992) – 8 Sterne
Der Biograf, Romancier, Dozent und Journalist Pierre Assouline (*1953) erzählt Simenons Leben so packend wie einen Roman, mit viel Sinn für Skurrilitäten, interessante Nebenfiguren, knackige Dialoge, Einzeiler und Storytelling, ganz ohne professorale Langatmigkeit. Immer wieder zieht Assouline Parallelen zwischen Simenons Leben und dessen Romanen, zitiert auch aus Simenons zahlreichen Memoirenbüchern. Das liest sich sehr lebendig und interessant. Assouline schreibt kurze Sätze fast wie Simenon, poliert aber mehr auf Effekt, und er verwendet mehr gebildete (nicht eingebildete) Ausdrücke. (Vielleicht wirkte die Biografie auch deswegen so kompakt auf mich, weil ich sie in der offenbar stark gekürzten englischen Ausgabe las, die auf 447 Gesamtseiten kommt; das frz. Original hat 1059 Seiten; mehr…
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Biographie, Buch, England, Gut, Historisches Buch, Hot Country Entertainment, Interkulturell, Mediterran, Reise, Sachbuch, Spanien
Kritik Biografie: The Interior Castle, A Life of Gerald Brenan, von Jonathan Gathorne-Hardy 1992) – 7 Sterne – mit Video
Biograf Gathorne-Hardy (*1933) war mit Gerald Brenan (1894 – 1987) bekannt und sah ihn in Brenans späten Jahren öfter; er hält sich aber bewusst, wie er sagt, weitgehend aus der Biografie heraus (er versteckt seine durchaus längeren Brenan-Begegnungen seit jungen Jahren gern in Fußnoten, z.B. S. 419, S. 573; seine Frau portraitierte Brenan für die Schutzumschlagrückseite). Gathorne-Hardy schrieb selbst eine ganze Reihe von Büchern, auch Romanen, und sein Brenan-Text klingt einigermaßen subjektiv mit deftigem Psychologisieren, gelegentlichen Flachereien und ein paar überflüssigen Altklugheiten („the writer’s key to a woman’s heart (or bed) is not dancing but the promise to get her novel or poems published“, S. 255). Gathorne-Hardy schreibt aber jederzeit…
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Buchkritik: Wendepunkt, von Klaus Mann (Autobiografie, 1949) – 5 Sterne
Klaus Mann – Sohn Thomas und Katia Manns, Bruder von Erika, Monika und Golo Mann, Neffe Heinrich Manns – schreibt streckenweise vollmundig süffisant mit gutem Zug. Mitunter klingt er salopp wie in privater Runde, zugleich mild spöttisch und pikant mokant. Mann mag seine Lieblingsstadt Paris (wegen oder) „trotz all ihrer frivolen Blasiertheit, ihrer zynischen Korruption“ – und zuweilen klingt auch sein Schreiben so, auf unterhaltsame Art (S. 217 der älteren 1984er-rororo-Ausgabe noch mit Frido-Mann-Nachwort und Werbung für „Pfandbrief und Kommunalobligationen“). Mann bescheinigt sich selbst ein „Penchant fürs Bizarre und Exzessive“ (S. 229, sic). Zu Hochform läuft Klaus Mann bei der Beschreibung kleiner Szenen auf: Beim Ringen mit der diebischen Hausmagd…
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Buchkritik: Wir waren fünf, von Viktor Mann (Biografie Mann-Familie, 1949) – 6 Sterne
Viktor Mann war 15 bzw. 19 Jahre jünger als seine berühmten Brüder Thomas Mann und Heinrich Mann. Er nannte sie im Münchner Zuhause sogar Onkel. Viktor Mann war auch kein Schriftsteller, ging 1933 nicht ins Exil, sondern wurde Agrarwissenschaftler und Sachverständiger für Banken. Seine Familienerinnerungen schreibt Viktor Mann (1890 – 1949) frisch und launig von der Leber weg, ohne falsche Töne und meist ohne hehre Klänge. Sein Buch hat Zug und unaufdringlich Stil. Das lässt sich leicht lesen – leichter als alles von Thomas Mann nach den Buddenbrooks. „Viko“ Mann schmunzelt, schäkert und amüsiert sich selbst über kleinere Spuren, die seine kindlichen Aussprüche in den Buddenbrooks und anderen Mannschen Werken…
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Buchkritik: Thomas Mann. Eine Biografie, von Klaus Harpprecht (1995) – 7 Sterne
Harpprecht (1927 – 2016) schreibt sehr leicht lesbar, gelegentlich etwas unangemessen salopp. Unentwegt platziert er aufdringlich wertende redundante Adjektive und Parenthesen (Beispiel S. 287f: „…des Kaisers schwadronierende Warnung… der Kaiser hatte, taktlos wie so oft, …“; S. 696: „Er fügte dieser nicht ganz zuverlässigen Einsicht eine hellsichtige Beobachtung an: …“; S. 1949: „…puerilen Stolzes… Anflug halbseniler Kraftmeierei“). Auf Amazon: Thomas Mann Stil: Obwohl Schriftgröße und Umbruch ganz offenbar die Seitenzahl in Grenzen halten sollen, füllt Klaus Harpprecht v.a. im ersten Teil einige Zeilen mit Allerweltsbanalitäten oder Kaskaden rhetorischer Fragen (S. 151f: darüber, wie Thomas Mann die Neujahrsnacht 1899-1900 verbracht haben könnte, spekuliert Harpprecht eine Seite lang mit mindestens sieben rhetorischen…
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Rezension Biografien: The Life of Graham Greene, Vol. I 1904 – 1939 (1989), Vol. II 1939 – 1955 (1994), Vol. III 1955 – 1991 (1999), von Norman Sherry – 6 Sterne – mit Presse-Links
Graham Greene hatte Norman Sherry 1974 zum Biografen ernannt, ihm unbeschränkten Zugang zu allen Briefen und Tagebüchern und über 17 Jahre viele Interviews gegeben – und die Erlaubnis, alles zu zitieren, auch seine Romane. Sherry schrieb von 1976 bis 2002. Er sprach ausführlich mit allen Familienangehörigen, Frauen, Bekannten, Kollegen, las unveröffentliche Teile Greenescher Memoiren und Traumtagebücher. Er zitiert sehr ausführlich – gefühlt ein Fünftel des Texts montiert Sherry aus Romanen, Interviews, Briefen, Tagebüchern, im dritten Band wohl mehr. So entstand eine völlig andere Greene-Biografie als beim konkurrierenden Greene-Biografen Michael Shelden. Für einen Schriftsteller hatte Graham Greene (1904 –1991) ein ungewöhnlich dramatisches Leben, und nur deshalb las ich Sherrys drei Teile mit…
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Rezension Biografie: Graham Greene, Eine Biographie, von Michael Shelden, 1994, engl. The Man Within (UK), The Enemy Within (USA) – 5 Sterne
Michael Shelden hatte weit weniger Greene-Zugang und Greene-Abdruckrechte als Greenes offizieller Biograf Norman Sherry – einmal wiesen Greenes Anwälte Shelden brieflich in die Schranken, wie Shelden selbst schreibt. Vielleicht klingt Shelden (*1951) deshalb ab Seite 1 unermüdlich boshaft, wie verbissen wühlt er nach Anhaltspunkten für Greenes niederen Charakter: Shelden schildert Graham Greene als sexuell besessen, als Verräter im Privaten und im Spionagemetier, als zugleich Geheimniskrämer und Publicity-hungrig, als Verwirrungstifter, getarnten Homosexuellen, schlechten Vater und ausgerechnet in den 1930er-Romanen als groben Judenhasser und überhaupt, jahrzehntelang, als Hasser. Übersicht der Greene-Biografien von Norman Sherry und Michael Shelden* N. Sherry, Vol. I N. Sherry, Vol. II N. Sherry, Vol. III Norman Sherry gesamt…
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Rezension: Christiane und Goethe. Eine Recherche, von Sigrid Damm (Biografie 1998) – 7 Sterne –mit Presse-Links
Mehr Erfolg mit weniger Verben: Germanistin Damm beendet viele Sätze ohne Zeitwort – das klingt je nach Kontext und Geschmack emotional, gehetzt, impressionistisch, zu privat oder wie mündliche Rede. Manchmal sogar nur ein „Satz“, vom Verbe befreit, in einem Absatz. Peter Brauns Weimarer Geschichten: Von Goethe bis Schiller. Eine Spurensuche (2009) liefern streckenweise einen ähnlichen Sound (sogar der Titel klingt nicht unähnlich). Auch Sigrid Damm selbst wiederholt diesen Stil präzise in weiteren Büchern über Schiller und Goethe. Einerseits klingt Damms Buch damit sehr nach einer romantisch aufgeplusterten, fiktionalisierten Biografie, wie es sie etwa über Robert Louis Stevenson, Frank Lloyd Wright, Richard Francis Burton oder über Goethe selbst gibt. Richtig spannend…