Tezaab (“Säure”, 1988, Regie N. Chanda) hat soviel rohe Gewalt, dass ihn in Indien nur Erwachsene sehen dürfen (dieses drakonische Urteil fällt die Zensurbehörde sonst eher wegen Lippenküssen). Ein paarmal wird die Gewalt böse, aber es gibt auch viele sehenswerte, kuriose, aufwändige Actionpassagen. Dann wieder tänzeln die Akteure beschwingt auf grünen Hügeln (schön arrangiert von Saroj Khan, die dafür den ersten Choreographie-Filmfare-Preis bekam, der je verliehen wurde).
Anil Kapoor spielt fast eine Art “angry young man” und soviel Energie und Ausstrahlung hätte man der notorischen Schlaftablette gar nicht zugetraut (natürlich erreicht er nicht die Präsenz des jungen Amitabh Bachchan etwa in Deewar). Anil Kapoors typisches verkniffenes, sinistres Lächeln passt viel besser zu dieser Straßenjungenfigur als zu vielen gutbürgerlichen Rollen.
Auftritt Madhuri Dixit:
Weil Kapoor so beschäftigt war, schlug er eine unbekanntere Hauptdarstellerin für Tezaab vor – sie würde sich besser in seinen schwierigen Terminplan einfügen. So fiel die Wahl auf die junge Madhuri Dixit, und sie liefert hier wie später immer wieder eine Hochenergie-Vorstellung ab, mit hinreißendem Lächeln und exzellentem Tanz (nicht nur im bekannten “Ek Do Teen”, also “eins zwei drei”, Video direkt oberhalb).
Dixit lieferte auch einen viel beachtetem Auftritt im Badeanzug: Sie springt als verliebte Nichtschwimmerin ins Wasser, um sich von Bademeister Anil Kapoor retten zu lassen. Der zeigt ihr dann, dass man an der Stelle auch gut stehen kann. Ab Tezaab war Madhuri Dixit ein Superstar.
Schnelles Tempo, echte Schauplätze:
Tezaab läuft mit einer gewissen Atemlosigkeit durch, die keine Langeweile gestattet. Allerdings irritieren die verschachtelten Zeitebenen und gelegentliche moralische Töne (Vaterland; Korruption).
Der Film wirkt auch so roh und geerdet, weil er gutteils nicht im Studio, sondern an Originalschauplätzen gedreht wurde, in offenbar echten Straßen, Wohnungen und Amtsstuben ohne Pappmaché und Angeber-Interieur. Zudem sind die meisten Figuren nicht allzu krass überzeichnet, selbst die Bösewichte wirken fast wie menschliche Wesen (trotz wilder Bärte) einschließlich Anupam Kher als schuftigem Rabenvater.
Damit wirkt Tezaab deutlich anders als weitere Kapoor-Dixit-Filme seiner Zeit, etwa Ram Lakhan oder Beta. Handlung und Dialoge sind allerdings genre-typisch unrealistisch.
Weitere Schauspieler:
- Chunky Pundey als A.-Kapoor-Spezl macht Eindruck, spielte auch in zahlreichen weiteren Filmen teils die Hauptrolle, kam aber nie ganz groß heraus. Erinnert sekundenweise an Farhan Akhtar
- Johnny Lever, sehr jung und noch nicht so rundlich, verzichtet weitgehend auf seine berüchtigten Komikeinlagen, ist einfach Teil der Gang. Erinnert sekundenweise an Jimi Hendrix
Tezaab war der Kinokassenschlager des Jahres und bekam vier Filmfare-Preise, u.a. für Anil Kapoor als bestem Hauptdarsteller. Dixit war für eine Trophäe nominiert, die jedoch schließlich an Rekha ging.
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