Studenten-Bollywood: 3 Idiots (2009, mit Aamir Khan, Kareena Kapoor) – 5 Sterne

Was mir gefiel:

  • sehr schöne Kamera und Szenenübergänge vor allem im ersten Teil
  • schöne Bilder vom Autofahren im Himalaya
  • teils pfiffige Dialoge und Ideen
  • fast durchgehend kurzweilig trotz ca. 2:50 Laufzeit
  • schöne, abwechslungsreiche Musik, die meist locker bleibt, ohne Discomumpf

Weniger schön:

  • gestandene Mannsbilder wie Aamir Khan (44 beim Dreh) und Madhavan (39) spielen (digital gestraffte) Milchbubis, Riesenbabys, die im Studentenwohnheim herumalbern und vor Papa auf Knien um eine Erlaubnis wimmern
  • ein paar unsäglich kitschig-melodramatische Abschnitte im zweiten Teil bringen die Hauptdarsteller zum Heulen, nicht aber den Schreiber dieser Zeilen; auf solche Rührseligkeiten hatte Regisseur Rajkumar Hirani bei seinen zwei vergnüglichen Munna Bhai-Filmen verzichtet
  • zu viele weitere Bollywood-Unarten im zweiten Teil: mehrere Wechsel der Film-Zeit und teils völlig unrealistische Handlung, die nicht zur sonstigen Art des Films passt
  • mal wieder ein Hindi-Film um Männerkumpels (die man zudem exakt in dieser Konstellation schon aus Rang de Basanti kennt); Frauen spielen fast keine Rolle, Kareena Kapoor wirkt wie nachträglich an die Geschichte drangeklebt
  • jede Menge Urinieren, Flatulenz, Männerunterhosen und Stromschläge in Männerkörperteile; sehr innovativ und lustig, haha
  • Dialoge teilweise zu predigthaft, überdeutlich
  • der sonst so souveräne Boman Irani muss den Direktor hier als schrille Karikatur spielen und dazu dämlich lispeln, es nervt (und 3 Idiots-Regisseur Hirani setzt Irani bei den Munna Bhai-Filmen viel besser ein)

Riesenerfolg gegen starke Konkurrenz:

Erstaunlich: 3 Idiots startete in Indien Ende 2009 fast gleichzeitig mit My Name Is Khan, hinter dem die Bollywood-A1-Größen Karan Johar, Shah Rukh Khan und Kajol standen – und 3 Idiots gewann den Wettlauf an der Kasse. 3 Idiots ist offenbar der erfolgreichste Hindi-Film aller Zeiten, wurde mit Preisen zugeschüttet und erntet eine sensationell hohe Publikumswertung auf IMDB, wenn auch nicht einhelliges Lob der professionellen Kritik.

Bei allen Unterschieden zeigen beide Filme eine Sintflut und drücken machtvoll auf die Tränendrüse. Beide Filme sind sehenswert, aber keine Meisterwerke.

Fazit:

Ich würde sagen, im ersten Teil ist 3 Idiots witzig und originell; im zweiten Teil gleitet der Streifen in alle möglichen Hindi-Film-Unarten ab (Superkitsch, unrealistisch, overacting, Melodrama), gönnt uns aber zum Ausgleich nicht die Vorzüge eines typischen Hindi-Krachers. So hat 3 Idiots keinen gutaussehenden männlichen Hauptdarsteller, eine kaum sichtbare Hauptdarstellerin, fast kein Boy-meets-girl. Hiranis Munna Bhai-Filme waren runder, vor allem Lage Raho Munna Bhai.

3 Idiots verwendet Motive des witzigen Indien-Romans Five Point Someone von Chetan Bhagat (meine Buchkritik dazu) (alle Literaturverfilmungen auf HansBlog.de), und um Bhagats Anteil an 3 Idiots gab es später eine Kontroverse. Unter dem Titel Nanban wurde 3 Idiots 2012 neu auf Tamil verfilmt, mit einigen Superstars des Tamil-Kinos (die knapp unter 40 sind). Nanban kopiert fast jede Einstellung und jedes Detail des Originals – fast schon verblüffend genau. Nur die Songs und Tänze sind eigen. Die Darsteller wirken ähnlicher und weniger charismatisch, damit aber vielleicht auch einen Tick realistischer.


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