Kingsley schreibt resolut, kurzweilig und mit sehr viel trockenem Humor. Am liebsten spottet sie über sich selbst: wie sie ins Wasser fiel, durch ein Dach fiel, Leoparden, Nilpferde und Krokodile in die Flucht schlug – jedes Ereignis amüsiert sie scheinbar.
Allerdings wählt Mary Kingsley oft nicht die Themen, die mich interessieren – Begegnungen mit den Menschen in Westafrika. Sie schreibt lieber seitenweise über technische Details ihrer Kanu- und Dampferfahrten, übers Krabbenfangen und immer aufs Neue über schwierige Dschungelpfade und ausgedehnte Bootsfahrten. Von weißen Missionaren und Handelsvertretern hören wir meist, dass sie reizend und hilfsbereit sind.
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Licht und Schatten:
Es gibt kaum Dialoge und über viele Seiten wenig Interaktion, vielleicht auch, weil Kingsley das Buch aus der Erinnerung nach Abschluss der Reise schrieb, wenn auch gestützt auf ein Tagebuch. Dann wieder folgen unterhaltsame Abschnitte, vor allem der Austausch mit kuriosen Händlern und die Übernachtung in entlegenen Dörfern; aber schade, ich hätte mir noch etwas Interessanteres erwartet.
Gegen Ende lesen wir lange allgemein völkerkundliche Traktate zu Sitten und Aberglaube, wenn auch mit persönlichen Anekdoten angereichert. Insgesamt wirkt das Buch dadurch heterogen, und auf den hinteren Seiten wechselt Kingsley innerhalb eines Absatzes oft grundlos zwischen Präsens und Vergangenheit.
Wohl wegen der langatmigen Reiseschilderungen wurde meine Ausgabe gekürzt; im Abstand weniger Seiten folgen Anmerkungen von Elpheth Huxley im Kursivsatz: sie fasst herausgekürzte Kingsley-Etappen zusammen, bevor es mit O-Ton weitergeht. Huxley liefert auch ein interessantes Vorwort, sagt jedoch nichts zum Mengenverhältnis zwischen entferntem und belassenem Text.
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Um diese Länder geht es:
Kingsley behandelt wohlgemerkt vor allem die Region der heutigen Länder Nigeria, Kamerun, Gabon und Republik Kongo, nicht etwa Senegal oder Elfenbeinküste. Gelegentlich erwähnt sie Sierra Leone und Gold Coast, das heutige Ghana.
Kingsleys Kanufahrten auf Flüssen mit Halts an Handelsposten erinnerten mich gelegentlich an Maughams Kurzgeschichten aus Malay(si)a; auch Barbara Greenes Bericht über ihre Wanderung mit Graham Greene in Sierra Leone und Liberia kam mir in den Sinn; nicht nur wegen der Fußmärsche in Westafrika, auch wegen des mild spöttischen, selbstironischen und munteren Tons.
Auf den Spuren Kingsleys reiste fast 100 Jahre später Caroline Alexander und schrieb ein Metareise-Buch darüber.
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