Rezension Bollywood-Verkleidungs-Komödie: Chachi 420 (1997, mit Kamal Hassan) – mit Video – 7 Sterne

Bollywood-Komödie 1998: Mannsbild Kamal Hassan verkleidet sich perfekt als reife Dame. Nur so erhält er Zugang zu seiner Tochter, die bei seiner Exfrau Tabu lebt. Der Film übernimmt in etwa die Handlung aus Mrs. Doubtfire (1998) mit Robin Williams und übersetzt sie stimmig ins Indische. (Man denkt natürlich auch an den Crossdressbrüller Tootsie.)

Lustig, aber nie over the top:

Die liebenswerte, stets kurzweilige Komödie bietet Verwechslungen und spaßig heikle Situationen noch und nöcher. Dabei wird der Film selten betont schrill und krass – ganz anders als in Hassans Tamil-Klamaukorgie Thenali; über allem liegt stets die milde Würde von “Tante” Laxmi (Hassans Filmname für seine Frauenfigur).

Es gibt zwar eine ausgedehnte Prügelei, doch selbst die strahlt eine gewisse  Nonchalance aus: Kamal Hassan als Tante Laxmi im Sari verhaut zehn Bösewichte auf dem Gemüsemarkt. Jeder einzelne Angreifer wartet nach guter alter Bollywoodsitte höflich, bis er mit dem Verprügeltwerden drankommt.

Ansonsten lebt der Film von seinem Charme und den pfiffigen, nie doofen Dialogen von Meister Gulzar. Es gibt amüsante (nie aufdringliche) Anspielungen auf die Unterschiede der Religionen.

Verblüffende Verwandlung:

Ich habe “Chachi 420” auf Hindi mit englischen Untertiteln gesehen; wer Hindi versteht, hat sicher noch mehr Spaß. Entscheidend für die Wirkung von “Chachi 420” ist auch die exzellente Gesichtsmaske: Innerhalb der “Chachi”-Filmhandlung wird sie von einem Kino-Kostümbildner (Johnny Walker) angelegt. Sie verwandelt Tamilkino-Star Kamal Hassan, eigentlich ein stattliches Mannsbild, wirklich in eine reifere Hindudame mit weichen, würdigen Gesichtszügen. Dazu ein oranger Sari und ordentlich Holz vor der Hütte – die Verwandlung überzeugt.

Bollywood-Dauerbösewicht Amrish Puri (1932 – 2005) spielt den gestrengen Unternehmer hier mit zeitweise liebenswerten Zügen – weit differenzierter und interessanter als seine eindimensionalen Vater-Rollen mit Metzgerblick aus “Dilwale Dulhania Le Jayenge” und “Mohabbatein”. Unterhaltsam auch sein häufiger Co-Star Om Puri als serviler Sekretär, ebenso wie Paresh Rawal als Vermieter und Nasser als moslemischer Undercover-Koch in einem streng vegetarischen Hindu-Haushalt.

Das kleine Mädchen wurde wenig subtil auf knuffig getrimmt und erinnert stark an Gia, Preity Zintas Film-Halbschwester in “Kal Ho Naa Ho”. Tabu hat in diesem Film wenig Ausstrahlung, selbst in ihrer Mini-Rolle in “Saathiya” erscheint sie stärker.

Die Produktion überzeugt nicht vollständig:

“Chachi” unterhält bestens durch Schauspielkunst und Dialoge. Hassans Schauspieler-Bleibe erscheint realistisch schäbig, Amrish Puris Unternehmer-Domizil strahlt wohlhabende Gediegenheit aus, trumpft aber keinesfalls so märchenhaft auf wie viele teurer produzierte Filme.

Andere Elemente der Produktion drücken die Note jedoch: Es gibt nur einen, wenig bemerkenswerten Tanz, Vishals Bhardwajs eher moderne Musik klingt heterogen und harmoniert kaum mit den Bildern (in späteren Filmen wie Omkara ist er viel besser).

“Chachi 420” wurde für ein paar Preise nominiert, ging am Ende aber leer aus. In Kurzbiographien der “Chachi”-Akteure fehlt dieser Film oft, offenbar scheint er nicht sehr bedeutend. “Chachi 420” zählt zur langen Reihe der Filme, die sich das Schauspieler- und Bollywood-Leben zeigen. Und der Guardian fand das indische Chachi 420 besser als das US-Original mit Robin Williams.

DVD mit Schwächen:

Ich hatte Chachi 420 auf der DVD des indischen Anbieters Shemaroo. Die Scheibe enttäuscht: Das Bild ist enorm verkratzt, teils ausgewaschen, permament leicht in die Breite gezogen. Trotz dieser deutlichen Mängel hatte ich wohlgemerkt noch meinen Spaß.

Die englischen Untertitel stehen teils etwas kurz auf dem Schirm. Nett jedoch: Kulturelle Besonderheiten werden, wenn erforderlich, in den Untertiteln erläutert. So erklären die Untertexte zum Beispiel, ob ein bestimmter Vorname zur Moslem- oder Hindu-Kultur gehört (Amrish Puri als Brahmane verlangt einen Hindu-Koch, bekommt es aber mit einem Moslem zu tun). Es gibt keine Extras zum Film. Die DVD enthält jedoch Sekundenausschnitte aus zahllosen charmanten Hindi-Filmen seit den 50er Jahren.



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