Romankritik: Rosina, von Walter Kappacher (1978, 2010) – 7/10

Walter Kappacher beschreibt eindrucksvoll die freudlose, kleinbürgerliche und neiderfüllte Atmosphäre in Kleinstadtbüros – im Reisebüro und in der Etage über einem Autohaus –, bis hin zum strapaziösen Rumpeln der Olivetti. Hauptfigur Rosina lässt sich herumschicken, ausnutzen und wagt kaum Widerspruch.

Dieses muffige Milieu kann den Leser herunterziehen. Auch dass  Protagonistin Rosina sich dumpf ergeben vom ralligen Herrn Fellner überrollen lässt, wirkt nicht antidepressiv.

Mir ist immer unwohl, wenn Männer sich in Frauenseelen hineinversetzen, etwa bei diesem Zitat:

Wenn jetzt Herr Zöbl in ihr Zimmer kam, oder wenn er sie zu sich rief, wurde ihr heiß, fühlte sie sich wie ein Lehrmädchen, und gleichzeitig beschützt; sie gierte nach seiner Nähe und war froh, wenn er sie entließ… Er beugte sich über sie, und plötzlich merkte sie, dass sie das auch wünschte, dass sie es sich schon öfter vor dem Einschlafen vorgestellt hatte. Er war der Chef, und er kam zu ihr, und nicht zu Frau Steidl oder Fräulein Löwinger

Laut U4 meint Dieter Borchmeier in der Zeit, man könne fast

eine Wette eingehen, dass nur eine Frau es geschrieben haben könnte

Aha. Kappacher textet spröd, humorlos, aber leicht lesbar und sehr angemessen. Der 2009 gebüchnerte Kappacher hat diesen 1978 zuerst erschienenen Roman 2010 überarbeitet. Man wüsste gern mehr über die Unterschiede zwischen ursprünglicher und aktueller Fassung, ahnt freilich die Richtung. Auch im Nachwort von Armin Ayren steht zu dieser Frage fast nichts.

Assoziation:

  • Das assoziative Erzählen erinnerte mich momentweise an Walter Kempowski (der freilich viel lässiger erzählt)
  • Auch in Sarah Mesas Roman Eine Liebe entwickelt die Protagonistin Gefühle für einen Mann, der eindeutig nur ihren Körper will (der Unterschied: Eine Liebe stammt von einer Frau)
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