Don Winslow erzählt ein dünnes Geschichtchen, mächtig aufgeblasen, kraftmeiernd krass. Der Stil ist betont ultracool, mit krass kurzen Kapiteln und Sätzen und krassen Sätzen über Drogen, Morde und Pornografie, die wir logo krass trocken wegstecken.
Und auf den ersten 100 von 300 Seiten kommt kaum etwas in Gang: es gibt lauter Rückblenden auf die Vorgeschichte der Hauptfiguren, des Drogenhandels, sogar auf Republikaner versus Demokraten. Natürlich walzt Winslow schon hier die Gewalt aus, aber in unzusammenhängenden Rückblicken.
Erst etwa auf Seite 100 (in meiner englischen Ausgabe) wird eine Hauptperson entführt, mit sehr dramatischen Forderungen für die Freilassung. Die Geschichte beginnt, jedoch erneut mit seltsamen Abschweifungen (die Entführte imaginiert seitenlang TV-Historienschinken). Warum steigt Winslow nicht dramatisch mit der Entführung ein?
Zeit des Zorns ist Teil 2 von 2 der Savages-Reihe:
Die Vorgeschichte zu Zeit des Zorns heißt Kings of Cool, wurde jedoch später geschrieben (2012). Die Bücher lassen sich auch unabhängig voneinander lesen, zumal Don Winslow seitenweise fast identische Passagen in beiden Büchern bringt – u.a. vermeintliche Witze, aber auch die Entwicklung der Hauptfiguren.
Dieser Teil 2, Zeit des Zorns (engl. Savages), ist stilistisch etwas weniger schrill und deutlicher mit Füllmaterial und Hintergründen aufgeblasen. Anders als Kings of Cool verteilt Winslow Zeit des Zorns jedoch nicht auf zwei völlig getrennte Zeitebenen.
Beide Bücher handeln vom Drogenkrieg und Gewalt ist geil-geil-geil, v.a. per genüsslich angekündigtem Kopfschuss. Beide Bücher zeigen die Hauptfiguren als Abziehbilder ohne Tiefgang, ohne Entwicklung. Zeit des Zorns wurde blutrünstig von Oliver Stone verfilmt (2012, u.a. mit Salma Hayek, John Travolta, offenbar in zwei Versionen mit FSK 16 und FSK 18).
Freie Assoziationen:
- Der englische Titel Savages erinnert flüchtig an den Jay-McInerney-Roman Das Haus Savage/The Last of the Savages
- Wegen des schrillen Stils einige Gonzo-Reportagen von Hunter S. Thompson und Tom Wolfe
- Wolf Haas’ Brenner-Romane: wie bei Don Winslow gibt es eine sehr markante, männlich-herbe Erzählstimme, doch den Erzähler lernen wir nicht kennen