Kritik Reisebericht: Kingdom of the Filmstars, Journey into Jordan, von Annie Caulfield (1997) – 7/10

Fazit:

Annie Caulfield schreibt witzig, gelegentlich gezwungen witzig, aber meist humorvoll, warmherzig und scharf beobachtend. Ihre interkulturellen Erlebnisse in der Beduinenfamilie ihres Partners mit traditionellen und westlichen Elementen klingen wundervoll; ein Pistolenheld und eine Beziehungskrise peppen die Story auf.

Man erfährt viel Persönliches über den Alltag in Hauptstadt und Wüste – und über interkulturelle Liebe. Die touristischen Teile tönen momentweise reiseführerhaft.

Annie Caulfield (2059 – 2016) textete für Fernseh-Comedy, sie schrieb Schreiblehrbücher; manche Gags hier klingen konstruiert, auch über sich selbst:

They were being very kind about not killing me as I turned out to be completely useless at all practical aspects… I tried to look useful but wasn’t

Sie ist nicht nur angestrengt lustig, sondern auch lustig frauenfeindlich, etwa über Gertrude Bell:

Poor, long-chinned Gertrude – killed herself in Baghdad, no longer useful and never loved.

Wiederholt zitiert sie das lustige, falsche Englisch vor Ort – ziemlich billig; aber dies ist Annie Caulfields erstes Buch, ein Lonely-Planet-Buch, der Backpacker-Humor muss sein. Es gibt auch interessante Touristenkonflikte, so den Streit zwischen selbstgerechten Amis und pflichtbewussten jordanischen Ticketverkäufern – beide Parteien erwarten Loyalität von Caulfield.

Selbstironie:

Ihr Tourguide und Lover Rathwan ist  ein Prachtkerl:

very good looking, powerfully built and dressed in jeans and a checked shirt… holding my attention with those eyes of his, eyes a young Omar Sharif would have envied… milelong eyelashes…

Und Rathwan ist nicht der einzige Hingucker. Umgeben von kernigen, unverschämt gut aussehenden Filmstar- oder mindestens Marlboro-Männern (so die Autorin, die auch König Husseins Erscheinung lobt), spottet Annie Caulfield über sich:

I was bleating with excitement and praising the concert so much

Der Dialog über Bande, der die erste gemeinsame Nacht auf der Jordanienrundfahrt einleitet, ist hervorragend. Initiiert hat ihn Rathwan: 

”I think there is a cockroach in my cabin.“ 

Wikipedia:

Gelegentlich liefert Annie Caulfield Lexikon pur, erklärt den Sechstagekrieg, Grenzverläufe, Ausgrabungen, den Petra-Tourismus. Dann wieder folgen hoch sarkastische Dialoge mit ihrem Partner, die fast zu gut klingen, um wahr zu sein, speziell aus der Feder einer Comedy-Autorin. Die Berufsschreiberin attestiert ihrem Freund indes “performance-level conversation“.

Annie Caulfield schildert auch eine lange, problematische Beziehungsdiskussion und seelische Konflikte, ganz ohne angestrengte Gags, erstklassig.

Zeitsprünge:

Die Rahmenhandlung des Buchs setzt ein, als sie ihren Lover Rathwan nach drei Jahren Beziehung und x Jordanienreisen wieder einmal besucht – doch in vielen kleinen Rückblenden erzählt sie frühere Trips, speziell den ersten, insgesamt unübersichtlich. Einmal beschreibt sie, wie ungelegen ihr bevorstehender Abflug aus Amman kommt, gleich darauf ist sie frisch zuück zu einem weiteren Aufenthalt.

Sie beschreibt seitenlang ein palästinensisches Stadionkonzert in Amman, schwärmt noch nachträglich davon, nennt aber nach meiner Übersicht nirgends den Namen des gefeierten Sängers.

Assoziation:

  • Annie Caulfields Benin-Buch ist etwas besser geschrieben, hat aber weniger ganz persönliche Verbindungen zu Land und Leuten
  • Helen Fielding arbeitete für die BBC in Afrika und schrieb einen Roman über Afrika; Annie Caulfield arbeitete für die BBC in Afrika und schrieb Memoirs über Benin, Jordanien, Kambodscha, Australien
  • das Buch hat mikroskopische 53 Bewertungen und sieben Rezensionen auf Goodreads (Stand September 2025); tippt man die Autorin und dann den Buchtitel bei Google ein, wird er nicht automatisch vervollständigt; solche Missachtung hat Annie Caulfield nicht verdient
  • die Autorin erwähnt am Rand die Mittelost-Reisenden und -Liebenden Isabel Burton und Jane Digby
  • Unmittelbar vor Caulfield/Jordanien las ich ein weiteres Reisebuch, Stefanie Sargnagel in Iowa – doch Caulfield ist klar besser in puncto Humor, Erzählung und Information – und sie bietet einen local Lover, kein albernes historisches Präsens und kein alles vernichtendes Internet

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