Lese-Eindruck Sachbuch: Portraits, von Gerhard Roth (2012)

Die Zeitungsarbeiten über Zeitgenossen und ein paar tote Künstler haben mich kaum angesprochen. Gerhard Roth (1942 – 2022) kapriziert sich als nachdenklich-wunderlich, schreibt etwa über seinen Kanzler:

Bei der Besichtigung des (zu) großen Kongresszentrums übergibt Kreisky nach einiger Zeit schwitzend Hut und Mantel einem Sekretär und wischt sich mit einem großen weißen Taschentuch die Stirn, faltet es, steckt es ein, nimmt es wieder heraus, worauf sich der Vorgang wiederholt.

Aus demselben Text:

Vielleicht hätte man Muskie überhaupt nicht zu befragen brauchen, auch Gromyko nicht, sondern mit Hilfe einer vom Außenministerium zu erstellenden Kartei höflicher, aber nichtssagender Auskünfte betreffend die Ankunft eines Außenministers im Ausland das Nötige frei erfinden können.

Vielleicht hätte man manches überhaupt nicht zu schreiben brauchen. Ich habe zu spät gemerkt, dass die Kreisky-Reportage ungewöhnliche rund 50 Seiten lang ist. Sonst hätte ich wohl nach zwei Seiten abgebrochen, bevor man zu tief drin steckt.

Und so beginnt Gerhard Roth seine Geschichte über einen Fußballer:

Gestern Nacht hatte ich einen Albtraum. Ich befand mich in der Mannschaftskabine des SK Sturm Graz ((…))

Und dieser geträumte Albtraum endet erst nach eineinhalb Seiten. So fängt man doch keinen Text an. So was packt man auch nicht in die Mitte oder ans Ende eines Texts. Doch über André Heller und den Circus Roncalli steigt Gerhard Roth ebenfalls blümerant ein:

Mit jeder Eintrittskarte erhält der Besucher des Circus Roncalli die Möglichkeit, an der Realität der Träume des André Heller teilzuhaben. Er kann nachvollziehen, was beim Transformierungsprozess aus Hellers Kopf unter das Dach des Circuszeltes verlorengegangen ist

Warum nicht was Konkretes sagen? Fakten und so?

Jede Geschichte zeigt ein, zwei kleine Fotos, bewusst schwarzweiß und unambitioniert. Ihnen folgen häufiger Texte, die ich nach einer Seite nicht weiterlesen mochte, etwa über Elias Canetti, Bombenbauer Franz Fuchs oder Weltmaschinenbauer Franz Gsellmann. Nur genau zwei Seiten hat die Geschichte über Simon Wiesenthal, aber das ist schon zu viel.

Ganz gelesen habe ich die Texte zu Max Frisch – immerhin ein richtiger Besuch mit (banalen) Reportageelementen -, zu Thomas Bernhard und zu Wolfgang Bauer (Grabrede). Nichts Tolles. Etwas interessanter klingt Gerhards Roths Besuch bei August Walla im “Haus der Künstler”, zwei Wunderliche unter sich.

Vorzeitig aussteigen musste ich wieder bei den Stücken über Tennessee Williams (“das Gehabe eines flinken Vertreters”) und Ionesco:

Wir stellten uns Fragen, die wir aber aus Sprachschwierigkeiten nicht verstanden

Gerhard Roth stellte mich auch vor Fragen, die ich aber –

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