Romankritik: Die Katze, von Colette (1933, frz. La Chatte) – 7/10

Der blonde Jüngling Alain, wen liebt er mehr? Seine junge, schöne Frau Camille? Oder seine schnurrige, schöne Kartäuserkatze Saha? Camille unterdrückt ihre Eifersucht kaum; Saha auch nicht. Es kommt zum Zickenkrieg.

Auf Dreivierteln des Buchs passiert nicht viel, außer dampfig-schwüler Atmosphäre und Alains verliebtem Sinnen über Katze und Frau. Handlung und Spannung kommen erst im letzten Viertel auf.

Liebevolle Fügsamkeit:

Colette findet sinnliche, auch schwülstige Szenen zwischen Mann und Frau, Mann und Katze:

Zärtlich und behutsam streichelte er den weichen Rücken, der flaumiger war als das Fell eines Hasen, ertastete die feucht-kühlen, von heftigem Schnurren geblähten Nüstern.

Die Stehlampe, das einzige Licht im Raum, warf einen langen, scharfen Schatten hinter das junge Mädchen. Camille verschränkte die Arme hinter dem Nacken und blickte ihn aufreizend an. Er aber sah nur den Schatten. ‘Wie schön ihr Schatten an der Wand ist. Gerade so schlank, wie ich sie gerne haben möchte…’ Er setzte sich, um den Schatten mit der Wirklichkeit vergleichen zu können. Geschmeichelt bog Camille sich zurück, straffte die Brüste wie eine indische Tänzerin. Aber der Schatten beherrschte dieses Spiel besser als sie.

Alain dachte an Camilles keuchenden Atem, an ihre Beweise liebevoller Fügsamkeit und brennenden, aber wohltuenden Eifers

Sie erzitterte nicht, als er nach ihr griff und sie in die Höhe hob. Beinahe gleichgültig öffnete sie die wunderschönen, tief liegenden Augen.

Die Liebe zur Kreatur ist indes selektiv:

Alain nahm den Schmetterling zwischen zwei Finger und reichte ihn der Katze. “Vorspeise, Mademoiselle!”… Aber die Katze biss ihn unvermittelt, um sich abzureagieren. Er betrachtete die zwei kleinen Blutperlen auf seinem Handballen mit der wütenden Erregung eines Mannes, den seine Gefährtin vor Lust gebissen hat. “Du falsche Katze! Schau…” ((Die Katze)) fing den schwarzgeränderten Schmetterling. Sie verschlang ihn, hustete, spuckte einen Flügel aus und putzte sich dann hingebungsvoll.

Der französische Originaltitel La Chatte sagt viel mehr als der deutsche Titel, auch wenn ich die zeitgenössischen Konnotationen bei Entstehung des Romans Anfang der 1930er nicht kenne. Colette schreibt hier aus der Sicht eines Mannes und momentweise einer Katze – wäre sie nicht eine teilzeit-queere Frau, müsste man kulturelle Aneignung schreien.

Die Eindeutschung von Elisabeth Roth klingt zumeist unauffällig akzeptabel, doch gelegentlich wunderte ich mich über Wörter wie “manierlos” (Seite 127) oder “Rechnung unbegleichbar” (Seite 134). Für andere Merkwürdigkeiten ist vielleicht die Autorin verantwortlich (Seite 132):

… Schrie er mit verhaltener Stimme… er schrie leise

Assoziation:

  • Allerlei von Colette wegen der hortologischen (“Ulmenblütenstaub”) und zoologischen (“…wie es die Feldratte mit einem gestohlenen Ei macht”) Details
  • Speziell Colettes Geschichtensammlung Die Katze aus dem kleinen Café mit weiteren charakterstarken Haustieren; und Colettes Erwachende Herzen wegen der Schwulstmomente; und ihr Cheri wegen schöner, nichtsnutziger Jungmänner
  • Nur wegen des Titels: Der Roman Die Katze von Colettes einstigem Untergebenem Georges Simenon
  • Alains surreale Träume wie auch die gesamte Atmosphäre erinnern mich  momentweise an Boris Vians Der Schaum der Tage
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