Rezension Roman: How to Be Good, von Nick Hornby (2001) – 6 Sterne

Fazit:

Der Autor kreiert einerseits realistisch unterhaltsame Alltagsszenen einer Londoner Mittelschichtfamilie und pfiffige Dialoge – alles sehr Hornby, mit seinen typischen Zutaten wie Ehebruch, linksliberalem Gutmenschentum und altklugen Kids, aufgelöst in amüsantes Palaver. Die Wandlung der männlichen Hauptfigur ist jedoch enttäuschend unrealistisch: Erst atemraubend aggressiv, dann abrupt maximal zugewandt, denn ein Wunderheiler vollführt unerklärliche Wunderheilungen.

Ehekrieg:

Ich-Erzählerin Katie sieht ihren Romangatten David als “highly skilled in the art of marital warfare” (S.10*)¸ diagnostiziert “inexhaustable and all-consuming anger” (S. 20) und erwartet bei jeder Auseinandersetzung “a lot of ranting, some raving, several million caustic remarks and an awful lot of contempt” (S. 47). In einer anderen Auseinandersetzung (S. 33):

David barked an incredulous laugh.

Und Autor Nick Hornby (*1957) behauptet so etwas nicht nur, er bringt auch himmelschreiende Beispiele für Davids Boshaftigkeiten am Abendbrottisch. David schreibt sogar eine Wutkolumne in der Zeitung. Das amüsiert teils, verstört aber auch und wirkt nicht gänzlich realistisch.

Wunderlicher Wunderheiler:

Noch weniger realistisch: David legt abrupt seine Hassausbrüche ab und wird zum Achtsamkeitsapostel. Dabei hat eine Art Wunderheiler wortwörtlich seine Finger im Spiel. Das irritiert den auf Realismus bedachten Leser – mehr noch, dass Davids Frau Katie, Ärztin, die Methoden des Wunderheilers nicht genau prüft, obwohl der auch den zuvor unheilbaren Hautausschlag der Tochter Molly kuriert.

Es kommt noch schlimmer: Der Wunderheiler zieht bei Katie, David und ihren Kids ein, agiert und redet mild bizarr, kuriert aber auch völlig überraschend eine scheinbar unheilbare Patientin in Katies Klinik.

Dass Katie sich für einen Ehebruch rechtfertigen muss, spielt bald keine Rolle mehr – der wunderliche Wunderheiler dominiert. Dass weitere Klinikpatienten lautstark nach dem Wunderheiler verlangen und dass der bei Katie und David eine Praxis eröffnen will, erwähnt Hornby kurz, dann vergisst er den Aspekt wieder. Wie der Wunderheiler seine Wunderheilungen bewerkstelligt, dafür gibt es nie eine nachvollziehbare Erklärung – schwach.

Leser-Verhexung:

So ein Zeugs fasse ich normal gar nicht an. Hätte ich vom Wunderheiler gewusst, ich hätte das Buch gemieden (ich zog jedoch nie in Betracht, dass ein Hornby-Text ins Fantastische lappen könnte). Ich las die Geschichte dann als Groteske, als grobe Satire. Denn Hornby bringt weiterhin brillante Dialoge (“Ein ganzes Buch lang nur Gerede“, titelt der Spiegel) und Situationen, die mich im Buch halten. Außerdem wollte ich das Ende erfahren, ohne online nach Inhaltsangaben zu suchen. Wichtig auch: Selten, aber laut, konnte ich lachen.

Und dann geschah das Wunderliche: Obwohl die Absurditäten nicht weniger werden, las ich das letzte Buchdrittel ganz ernsthaft, als Anteil nehmender Gemeindebürger, ohne Kopfschütteln, Verdruss, Ärger. Ich fand die Sache richtig spannend. Der Wunderheiler hatte auch mich verhext.

Und die letzten Absätze setzen noch mal eins drauf aufs Wunderliche oder Wunderbare.

Freie Assoziation:

*ich hatte die engl. TB-Ausgabe, dt. u. engl. Titel How to Be Good, und ich kann die Eindeutschung nicht beurteilen

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