Rezension Magellan-Biografie: Over the Edge of the World, von Laurence Bergreen (2003) – 7 Sterne – mit Presse-Links & Video

Bergreen erzählt ruhig mit vielen Hintergründen. Zwar war die Reise laut Buchumschlag “terrifying” und voller “sex” und “violence”; gleichwohl schlägt der langjährige Erfolgsbiograf und Harvard-Absolvent Laurence Berggren im Buch keinen reißerischen Ton an und personalisiert auch nicht mehr als realistisch. So berichtet er auf den frühen Seiten sehr allgemein, fast dröge und praktisch ohne einzelne Akteure von der Machtpolitik der Staaten, der Bedeutung des Gewürzhandels und vom Stand der Kartographie im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert.

Später – gerade, als Magellans Flotte nach langem Hin und Her endlich lossegelt – schiebt Bergreen geschlagene zwölf Seiten über historische Aberglauben ein. Interessanter und kürzer sind Abhandlungen über die Sozialstruktur an Deck, über Kleidung und Essen der Seefahrer, über die furchterregenden Außenbordtoiletten, aber auch über Geografie, die chinesische Schatzflotte seit 1405 und Shakespeares Magellan-Rezeption. Mitunter liefert Bergreen lyrische Naturbeschreibungen, besonders auffällig in der Magellanstraße, die er, wie andere Schauplätze, selbst besucht und fotografiert hat.

Vom versprochenen “sex” erzählt Bergreen nicht so viel. Umsomehr Zeilen widmet der Amerikaner der “violence”: Er schildert Magellans mutmaßliche Folterrituale detailliert über Seiten – anhand von Rückschlüssen aus Quellen, die sich nicht auf Magellan beziehen.

Aufbau des Buchs:

Meine englische Taschenbuch-Ausgabe von Harper Perennial enthält eine ausklappbare, farbige, detailarme Weltkarte mit Magellans RTW-Route und der päpstlichen Welt-Aufteilung von 1494; außerdem einige historische Bilder und neue Fotos in Schwarzweiß auf normalem, nicht paginiertem Textdruckpapier.

Der Haupttext geht über etwa 414 Seiten, dazu kommen in meiner Taschenbuchausgabe etwa 74 Seiten Anhang mit Quellenhinweisen, Fußnoten, Stichwortverzeichnis, Zeittafel, Autor-Interview und anderen Hintergründen. Bergreen führt mehr Quellen an als andere Magellan-Biografen, die ich gelesen habe. Er verweist auf Anmerkungen jedoch nicht durch Sternchen oder hochgestellte Ziffern im Text – man muss hinten auf gut Glück nach einer Anmerkung suchen, die dort wiederum ohne Verweis auf eine Seitenzahl im Haupttext erscheint. Das ist unübersichtlich, und Bergreen bringt im Anhang viele, ausführliche Anmerkungen – nicht nur Quellenhinweise, sondern auch Hintergrundinformationen zur Handlung, die man gern liest. Man sollte dort ein zweites Lesezeichen einstecken (am besten ein klappbar einhängbares, das nicht herausrutscht).

Vergleiche mit anderen Magellan-Biografien:

Bergreen verwendet offenbar mehr Quellen als die anderen von mir gelesenen Magellan-Biografen, und er beschreibt als einziger ausschließlich die Weltumrundung und deren langwierige Vorbereitung; Zweig und Joyner reden dagegen auch über Magellans frühere Auslandsjobs in Indien und Marokko, v.a. Joyner erzählt auch von der Jugend. Bergreen schildert u.a. die Lebensumstände an Bord und Magellans Zeit besonders ausführlich.

  • Vergleich mit Stefan Zweigs Magellan-Biografie: Zweig erzählt deutlich dramatischer und auf einzelne Personen konzentriert – wie ein Romancier. Bergreen bringt anders als Zweig interessante Details aus Magellans Jugend und erwähnt einen Bruder des Magellan-Kartographen Faleiro, der bei Zweig nicht erscheint (Bergreen vergisst den Bruder jedoch zwischenzeitlich). Umgekehrt erzählt Zweig aufschlussreiche, längere Szenen aus Magellans früheren Asien-Reisen, die Bergreen völlig übergeht, weil er sich ausdrücklich nur um die Erdumrundung in Magellans letzten Lebensjahren kümmert. Bergreen erzählt viel zeitgeschichtlich allgemein, lässt dabei aber auch Fragen offen. In seinen umfangreichen Literaturhinweisen erwähnt Bergreen Zweig offenbar nicht ein einziges Mal.
  • Vergleich mit Tim Joyners Magellan-Buch: Bergreen erwähnt Tim Joyner mehrfach in den Anmerkungen, u.a. wegen Joyners ausführlicher Zitate aus Originaltexten. Bergreen ist aktueller und besser lesbar als Joyner. Joyner bringt mehr Hintergründe als Bergreen, historische ebenso wie Magellan-Details, erzählt jedoch sehr unübersichtlich und zu ausführlich. Das Liebesleben der Seeleute schildert Joyner fast so ausführlich wie Bergreen, wenn auch mit interessanten Abweichungen bezüglich Minderjährige und Palang-Rezeption (Zweig hält sich weit mehr zurück). Joyner ist detaillierter bei Schiffsbau und Geodaten. Joyner sieht Magellan noch kritischer als Bergreen, am positivsten beurteilt Zweig den Kapitän.

A first-rate historical page turner…” – die Kritiker:

New York Times:

Superb… Prodigious research, sure-footed prose and vivid depictions… a captivating piece of travel writing… a first-rate historical page turner

Kirkus Review:

Very nicely written through and through, and a pleasure for students of world exploration

Publishers Weekly:

Bergreen writes this powerful tale of adventure with a strong presence and rich detail

Bookreporter:

The reader can learn much about such things as methods of torture employed, bizarre sexual practices encountered, worldwide weather patterns

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