Rezension Kurzgeschichten: Leben ist Glückssache, von Lorrie Moore (1985, engl. Self-Help) – 5 Sterne – mit Presselinks

Die neun nicht verbundenen Kurzgeschichten spielen meist in New York und füllen im Englischen kaum 150 bedruckte Seiten (ich kenne nur das englische Original). Fast immer ist das Grundmotiv traurig, sind Männer untreu:

  • junge Frau wohnt mit Freund zusammen, will sich trennen, er durchkreuzt ihren Plan mit einer schweren Krankheit
  • junge Frau wohnt mit scheinbar untreuem Freund zusammen
  • junge Frau unzufrieden als Geliebte eines verheirateten Mannes
  • junge Frau betreut ihre sterbende Mutter und denkt an deren unglückliche Ehe mit wohl untreuem Mann
  • 42jährige unheilbar Krebskranke bespricht ihren geplanten Selbstmord mit Freunden, Mann und Tochter
  • geschiedene Frau und Mutter allein vor dem Fernseher
  • Rückwärtslauf durch das Leben einer Frau bis zur Geburt, beginnend mit dem Tod der Eltern
  • Kaufhausangestellte mit dementer Mutter und untreuem Mann stiehlt aus der Kasse
  • ziellose Studentin schreibt Geschichten, mehrfach über sich irrtümlich in die Luft sprengende Paare (engl. Volltext von “How to Become a Writer”)

Das hat oft etwas Anklagendes. Im Mittelpunkt steht überwiegend eine junge, unglückliche Frau. Moore war übrigens bei Buch-Erscheinen 28.

Zahlreiche Geschichten schreibt Lorrie Moore (*1957) in der zweiten Person, wie einen Ratgeber. Das klingt in Verbindung mit ihrem Sarkasmus sehr cool und erinnert an frühe Bücher von Jay McInerney (auch wegen New Yorks und des Alters der Protagonisten; er hat Moores Band auch in der NYT rezensiert, s.u.). Der betont originelle Stil ermüdet auf Dauer. Manchmal schreibt Moore zudem Futur, Imperativ und Möglichkeitsformen, so dass die tatsächliche Handlung vage bleibt:

He will try to kiss you. Turn your head. Feel suffocated.

Insgesamt wirken die Geschichten momentweise unverständlich, montiert aus Schnappschüssen, auch wenn die herb-abrupten Zeit- und Themenwechsel cool anmuten.

Assoziation:

  • Dies ist der erste von vier Kurzgeschichtenbänden Lorrie Moores (Stand Herbst 2017). Wer englisch liest, hat zu diesem Buch (Self-Help) eine Alternative – den schwergewichtigen Band The Collected Stories (672 Seiten). Er soll die ersten drei Kurzgeschichten-Bände, drei Geschichten aus der vierten Sammlung (Bark/Danke, dass ich kommen durfte) und vier Auszüge des Romans Anagrams enthalten.
  • Die Selbst-Bewusstheit in Sprache und Befindlichkeit erinnert an Naoise Dolans Aufregende Zeiten.
  • Das Erzählen in der zweiten Person gibt’s auch in in Jay McInerneys Ein starker Abgang/Bright Lights, Big City und zeitweise in Julian Barnes’ Die einzige Geschichte.

Pressestimmen:

    Bücher bei HansBlog.de:

    Kommentar verfassen

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

     

    Nach oben scrollen