Rezension Kurzgeschichten: Danke, dass ich kommen durfte, von Lorrie Moore (2014, engl. Bark) – 7 Sterne – mit Presse-Links & Video

Moore schreibt über mittelalte Geschiedene, Krebskranke, liebeshungrige kranke Witwer, mehrfach über alleinerziehende Mütter von Teenie-Problemkindern mit Problempartnern, einmal sogar über eine sprechende Tote.

Das Drama ist nicht so extrem wie in einigen Geschichten von Moores Sammlung Was man von einigen Leuten nicht behaupten kann (1998, engl. Birds of America), aber hier vielleicht gleichmäßiger verteilt. Einige Male schreibt Moore aus männlicher Perspektive.

Im strengen Kontrast zu all ihrem Alltags-Elend reden die Moore-Figuren ungemein witzig – auch wenn es manchmal klingt, als ob Moore die köstlichen Einzeiler etwas wahllos in ihre Kurzgeschichten packt. Moore und ihre Akteure säuseln so nonchalant-elegant, dass man über fragwürdigen Sinn und abrupte Fokuswechsel fast nicht mehr nachdenkt – alles wirkt ebenso geistreich wie beliebig. Einmal heißt es sogar über eine Hauptfigur:

He was trying to be funny all the time and she no longer liked it, as if he were auditioning for something.

Ich frage mich, warum Moore (*1957) mit ihrem Esprit nicht als Hollywoodschreiberin auftaucht (kein Treffer bei IMDB), so wie Norah Ephron. Will Moore nicht von ihren Seelenqualen lassen, die in keine fluffige Romkom passen? Vielleicht verachtet Moore den Betrieb einfach – in ihrem früheren Kurzgeschichtenband Pepsi-Hotel (1992, engl. Like Life) möchte der New Yorker Jungschriftsteller Harry mit Hollywood möglichst nichts zu tun haben.

Manche Figuren wirken übertrieben satirisch und verlieren so an Schärfe, etwa

  • die alleinerziehende Mutter, die fanatisch nur Augen für ihren ungehobelten Teenager-Sohn hat
  • die Lobbyistin, die den Terrorangriff aufs Pentagon überlebte

Anders als in frühen Kurzgeschichten aus dem ersten Band Leben ist Glückssache (1985, engl. Self-Help) erzählt Moore jedoch konventionell, nicht in der zweiten Person oder im Imperativ. Passend zu Moores Leben spielen die Geschichten jetzt nicht mehr in New York, sondern, wie schon in Moores Sammlung Was man von einigen Leuten nicht behaupten kann in der Provinz.

Vier der acht Kurzgeschichten erschienen zuvor im New Yorker, andere im Guardian oder in der Paris Review. Sie sind 15 bis höchstens 45 Seiten lang (in meiner luftig gedruckten, englischen Vintage-Taschenbuchausgabe; die Eindeutschung kenne ich nicht). Wer englisch liest, hat zu Bark eine gewisse Alternative – den schwergewichtigen Band The Collected Stories (672 Seiten). Er soll Moores erste drei Kurzgeschichten-Bände, drei Geschichten aus Bark und vier Auszüge des Moore-Romans Anagrams enthalten.

Deutsche Pressestimmen:

Frankfurter Allgemeine bei buecher.de: Lorrie Moore ist eine Meisterin der kurzen Erzählung – oft rasend komisch

Neue Zürcher Zeitung:  Lorrie Moores Sprache ist vertrackt, und ((Übersetzer)) Frank Heibert will uns zeigen, dass das Deutsche da mithalten kann. Nicht immer ist das zum Besten

Spiegel: Moore beweist, dass bissiger Humor und Empathie wunderbar zusammenpassen

Die Welt: …ein bisschen kompliziert, ein bisschen skurril, ein bisschen traurig… zwischen saloppem Zynismus und genuiner Verzweiflung changierende Giftigkeit

Deutschlandfunk Kultur: …seziert Gefühle und Haltungen, kommt falschen Hoffnungen und verdrehten Vorstellun­gen auf die Spur… sie erzählt lakonisch

Literaturkritik.de: Mit lakonischem Stil, schwarzem Humor und immer neuen überdrehten Einfällen…

Englische Pressestimmen:

David Gates in der New York Times: Her characters banter and wisecrack their way through their largely mirthless lives in screwball-comedy style, but for them it’s a compulsive tic

Kirkus Reviews: both hilarious and heartbreaking… ((Moore)) seems peerless in her command of tone and her virtuosity in writing stories

Geoff Dyer im Observer: The stories are pretty much 100% brilliant, as usual. There’s not a dud among them.

Observer 2sometimes witty and sometimes dreadful puns… there’s a lot of darkness in Bark; loneliness and despair and a bleak kind of realism…

The Economist: a resonant sharpness as well as gloom… Moore writes like a guest at a cocktail party holding court in the corner, sharing observant, acerbic comments

Los Angeles Times: her writing comes imbued with the odd shift, the surreal juxtaposition, the bitingly humorous aside.

Financial Times: A collection of taut, coherent, breathtaking enchantments… a dark, Beckettian humour…

Independent: closely-observed and carefully-meandering character studies that surprise you with a burst of drama or emotion…

NPR: a book, or at least half a book, that anyone who loves contemporary fiction should have a go at… some first-rate reading pleasure.

Salon.com: “Bark” is political and it is visceral in a manner that may well be jarring for readers accustomed to Moore’s past style… She is unusually good at scene-setting

Slate.com: tart, punny voice… the inability of logorrheic modern men and women to find even in their torrent of words the right ones to address the pain

Huffington Post: humorous, even laugh-out-loud funny, but they fall just short of substantive… her characters often tell bad jokes, relying too heavily on levity and wordplay

Entertainment Weekly: An improbable number of characters in her stories… say the same sort of weird, bleakly hilarious stuff… Moore’s characters still use sarcasm and cynicism

Oprah Magazine: For all their genuine sadness and existential angst, these powerfully, almost savagely, human stories shine with a spirit of playfulness

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