Kritik Kurzroman. Eudora Welty: The Ponder Heart (1953) – 6 Sterne

Die Ich-Erzählerin berichtet mit unterhaltsamer Schnatterschnauze vom Leben in der Mississippi-Kleinstadt Clay und von ihrem Onkel Daniel Ponder, der sich eine viel zu junge (und zu dünne) (und zu arme) Braut anlacht.

Eudora Welty (1909 – 2001) kreiert eine fulminante Ich-Erzählerin aus Fleisch und Blut. Die redet teils direkt zum Leser:

I size people up: I’m sizing you up right now.

Doch Ich-Erzählerin Edna Earle ergeht sich vor allem über Hauptfigur Onkel Daniel – sehr reich, sehr spendabel, immer schmuck in Schale und geistig etwas verwirrt. Also ein unrealistischer Protagonist, der die Handlung willkürlich in alle Richtungen schleudern kann, Slapstick included. So etwas fesselt mich weniger als purer Alltag, aber ich verstehe gut, dass die Geschichte 1956 am Broadway und 2001 im TV landete. Interessanter als der schrullige Onkel Daniel wirkt der Großvater der Ich-Erzählerin, doch der überlebt den kurzen Roman nicht.

Welty schreibt durchgehend heiter bis sonnig (anders als sonst oft), teils mit schwer nachvollziehbaren Themensprüngen. Ernste oder gar böse Noten – wie in einigen frühen Kurzgeschichten ab 1936 – liefert Welty hier nicht. Doch innerhalb der Geschichte sitzt jeder Ton.

Welty schreibt kaum Südstaaten-Mundart, nur ein paar kleinere Fehler (hadn’t showed him; I says), einige drollige Redensarten und ein paar wunderliche oder doppeldeutige Vokabeln (spool-heels, her little coon eyes; ich kenne nur das englische Original).

Im letzten Viertel kommt es zu einem unerklärten Todesfall und danach zu einer Gerichtsverhandlung, ohne dass wir die Anklagebegründung kennen. Dass Welty hier keine Hintergründe präsentiert und brennende Fragen unnötig offenlässt, irritiert. Der Prozess liefert ein bisschen Mundart einer Afroamerikanerin und weitere Kleinstadtkomik, zieht sich aber zu lang.

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