Kritik Grotesken: Katastrophen-Geschichten von Hermann Harry Schmitz – 7 Sterne

Harry Hermann Schmitz (1880 – 1913) schreibt Alltagsszenen: die Familie beim Kaffee, der tropfende Füllfederhalter, der Umzug. Die Geschichten beginnen spießbürgerlich banal und weiten sich bald ins Groteske und Fantastische: Figuren gehen auf den Händen, damit der Füller in der Tasche nicht mehr tropft, Robotermenschen tragen Umzugskisten unablässig auf und ab, die Kaffeemaschine spuckt Tod und Teufel, die Fadennudel geriert sich heimtückisch.

Fantastische Geschichten meide ich sonst. Schmitz schildert indes drastische, aus dem Ruder laufende Szenen so staubtrocken bierernst und spießt menschliche Macken so bösartig auf, dass ich nicht widerstehen kann – ich habe öfter gelacht, das gibt’s nicht oft.

Dabei schreibt der Autor militärisch knappe Sätze mit vielen drolligen Nachnamen; Harry Hermann Schmitz würde auch noch hineinpassen. Die Figuren wahren zumeist die Contenance, klammern sich an ihre davongleitende Würde und ereifern sich nicht über die Maßen (anders als die Oberbayern bei Ludwig Thoma oder Lena Christ).

Ich kenne die Geschichten nur aus der Auswahl-Lesung beim MDR im Herbst 2020 – Walter Renneisen liest passend staubtrocken-angespannt die ersten acht Geschichten. Gratis lesen kann man viele Schmitz-Geschichten beim Projekt Gutenberg.

Freie Assoziation:

  • Der knappe, schroffe Ton erinnerte mich an Sebastian Haffner und an die Satiren von Ludwig Thoma (nicht an andere Thoma-Bücher)
  • Alltag, der sich überraschend und fantasievoll ins Traumhafte dehnt – das erinnerte mich an Boris Vians Schaum der Tage (bei Amazon)
  • Eine von mehreren Literaturentdeckungen, die ich den Lesungen per Podcast verdanke

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