Kritik: Der Fotograf von San Marco, von Mario Adorf (Erzählungen 2003) – 5 Sterne

     
Mario Adorf fasst hier seine italienischen Geschichten zusammen, die zuvor in verschiedenen Büchern erschienen. Zwei Erzählungen aus Rom und Sizilien kennt man zum Beispiel schon aus Der römische Schneeball.

Fazit:

Adorf plaudert leicht und locker, wie ein billiges Brioche; öfter wird es anheimelnd mediterran. Dennoch sind manche Sätze zu lang, zumal Adorf kein stabilisierendes Semikolon einzieht.

Auf Dauer vermisst man Tiefgang und Schärfe. Die Mischung aus Erlebtem (samt einer kurzen Begegnung mit Alain Delon und Romy Schneider) und mehr oder weniger gut Erfundenem irritiert zudem. Nicht immer lassen sich Dichtung und Wahrheit unterscheiden.

Diebe und Rizinusöl:

Mal ist Adorf selbst Hauptfigur – so in einigen Schnurren vom Reisen oder Filmgeschäft. Mal stehen andere im Mittelpunkt, vor allem bei Kriminellem. Um Liebe geht es nie (nur ein paar Mal um Ehebruch). Eher erzählt Adorf von kleinen Gaunereien, Mafia, Straßendieben, zweimal Glückspiel, zweimal Rizinusölstreiche (hoho). Einmal steckt er uns verschmitzt, dass er zufällig erlangtes Diebesgut behalten habe, obwohl der Besitzer nicht weit war.

Teilweise erzählt Adorf nachlässig, lässt unnötig Fragen offen: So schildert er bizarre Zollrituale bei der Fahrt über Österreich nach Italien, erwähnt jedoch nicht einmal das Jahrzehnt der Reise; nachdem er schon bei italienischen Filmen mitgewirkt hatte, ist für eine weitere Rolle dort plötzlich die italienische Staatsbürgerschaft erforderlich – warum, das sagt er nicht; er nennt auch widersprüchliche Lira-Wechselkurse.

Interessant: Halbitaliener Adorf wuchs in Deutschland auf, lebte dann lange in Italien – und fühlt sich als italophiler Deutscher. Seine Liebe zu Italien, sagt er im Vorwort und im Spiegel, sei eine typisch deutsche.

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