Kritik Biografie: The Lives of Beryl Markham, von Errol Trzebinski (1993) – 6 Sterne

Biografin Errol Trzebinski lebte zumeist in Kenia und schrieb vor dieser Biografie andere Kolonialkeniabücher – so berichtet sie hier nicht nur detailliert Beryl Markhams Leben, sondern flicht auch viel Lokolkolorit ein wie:

In Nairobi Dr. Ribeiro, a Goan, rode a tame zebra to his sickest patients and his rooms ((…)) were made from old packing cases.

Ob sie hier von ihren früheren Keniabüchern übernahm, weiß ich nicht.

Errol Trzebinski (*1936) kannte Beryl Markham seit einer Interview-Serie 1974. Sie recherchierte dieses Buch ernsthaft offenbar seit 1986, vielleicht schon seit 1974, wollte aber lt. Vorwort vor einer Veröffentlichung explizit Markhams Tod abwarten, um sie nicht vor den Kopf zu stoßen. Viele der Trzebinski-Interviewpartner waren schon in hohem Alter und dann beim Druck der Biografie verstorben – immer wieder heißt es in den Danksagungen “the late”. Laut Endnoten führte Trzebinski viele Interviews 1987 und 1990.

Trzebinski schreibt  im Vorwort S. xviii und S. xx, Markham sei

skilled at pre-emption and at avoiding questions under all circumstances… Again she cheated me of the chance to confront her. Just four days before my return to Nairobi in 1986, Beryl died.”

Das ist wirklich skilled.

Trzebinski schreibt stimmungsvoll, offenbar sehr gründlich recherchiert und extrem detailreich. Störend aber, dass Trzebinski vor jedem Zitat ein Komma setzt, selbst wenn das Sinn ändert; manchmal wieder fehlten Kommata, Satzbau und Chronologie irritierten mich immer wieder; ganz gelegentlich schien Trzebinski Personen zu verwechseln oder andere wunderliche Fehler zu begehen. Vielleicht sind das nur meine irrigen Wahrnehmung, allerdings ortete auch Entertainment Weekly “mangled sentences and punctuation-from-Mars”, und laut LA Times ist Trzebinskis Buch “speckled with random commas”.

Wer ist wer:

Ihre Figuren benennt Trzebinski nach einer ersten Einführung nur noch mit Vornamen oder historischen Spitznamen wie “Blix” für Blixen, “D” für Delamare, “Clutt” für “Clutterbuck”, “JC”, “Ginger”, “Mrs KP”, “Georgie Porgy” oder “Tania”.

Die frühere Beryl-Markham-Biografie von Mary S. Lovell erscheint in Trzebinskis Literaturliste, heißt aber im Text nur “authorised biography” (S. 137, S. 276 etc.), während andere Biografinnen wie Judith Thurman auch namentlich erwähnt werden. Dass Lovell, wie sie in ihrer Biografie behauptet, Beryl Markham in ihren letzten Lebensmonaten teils betreute und frisierte, erwähnt Trzebinski dezidiert nicht, schildert stattdessen Hausbesuche einer örtlichen Coiffeurin und erwähnt “the unwelcome intrusion of strangers”, S. 329f, wohl eine Spitze gegen die Neubiografin Lovell und weitere Journalisten, die sich nach der Wiederentdeckung von West with the Night und nach dem Film Out of Africa in ihren letzten Lebensjahren auf Markham stürzten.

Umgekehrt erscheint erscheint Ulf Aschan bei Trzebinski nur als Großwildjäger, obwohl er schon 1987 eine Biografie über die wichtige Nebenfigur Bror Blixen geschrieben hatte. Bei der Präsentation des Trzebinski-Buchs Silence Will Speak erschien auch Beryl Markham; in ihrer Markham-Biografie erwähnt Trzebinski ihr Buch jedoch, ohne sich auch als Verfasserin zu outen.

Vergleich der Markham-Biografien von Mary S. Lovell (1987) und von Errol Trzebinski (1993):

Lovell traf Markham und alle weiteren knapp 100 Interviewpartner (S. 161) erstmals 1986  und freundete sich mit Markham an.Sie verschweigt bewusst einige Details aus Markhams Leben und sichert sich so Markhams Kooperation. Trzebinski lebte anders als Lovell zumeist in Kenia und traf Markham erstmals wohl 1974 zu Interviews. Trzebinski hatte bereits mehrere Kolonialkeniabücher geschrieben und kann weit mehr Lokalkolorit einflechten als Neubiografin Lovell.

Lovell schreibt teils emotional und als erklärte Markham-Freundin. Trzebinski klingt deutlich distanzierter gegenüber ihrer Hauptdarstellerin und wühlt vielleicht etwas tiefer in der Markham-Psyche. Beide Autorinnen schreiben meist gut lesbar. Bei Trzebinski wunderten mich einzelne Sätze und Strukturen jedoch massiv, vielleicht war ich begriffsstutzig.

Lovell, am Beginn ihrer Schreibkarriere, produzierte einen Schnellschuss; Trzebinski recherchierte länger und schreibt deutlich detailreicher – für manche wohl zu ausführlich, gelegentlich unübersichtlich.

Beide schreiben kaum über Markhams Vater. Auch der Hass auf die Markham-Gouvernante und spätere Stiefmutter Emma Orchardson wird kaum erklärt, v.a. nicht bei Lovell. Lovell schreibt mehr über Markhams Erfolge auf der Pferderennbahn, Trzebinski mehr über Markhams wilde afrikanische Jugend (Markhams Erfolge auf der Pferderennbahn erscheinen listenweise in den Endnoten). Trzebinski schreibt mehr über Denys Finch-Hatton (sie hatte zuvor eine Biografie über den Edelmann herausgebracht) und hält andere Männer für wichtig als Lovell.

Die Meinungen der beiden Biografinnen zur wahren Urheberschaft von Markhams Memoiren West with the Night unterscheiden sich deutlich, beide liefern lange Begründungen. Trzebinski liefert hier mehr handfeste Zeitzeugenaussagen, die Lovell nicht kennt, wenn auch wohl keine gerichtsfesten Beweise. Auch in anderen Punkten unterscheiden sich die Biografinnen klar. Letztlich liefert Trzebinski mehr Material und bessere Begründungen, ist aber nicht die bessere Schriftstellerin.

Freie Assoziation:

  • Die üblichen Kenia-Akteure tauchen im Haupttext oder schon in der Danksagung auf, u.a. Autor James Fox, Tania Blixen, ihr erster Mann Bror Blixen und dessen zweite Frau Cockie Hoogterp
  • Kaum eine professionelle oder Hobby-Rezension vergleicht die Markham-Biografien von Mary S. Lovell und Errol Trzebinski. Eine Ausnahme (neben HansBlog.de) liefert Michiko Kakutani in der NY Times

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