Rezension Bollywood-Spektakel: Main Hoon Na – Ich bin immer für dich da! (2004, mit Shah Rukh Khan) – mit Video – 7 Sterne

Hirn aus, Player an. Ein wilder, überschäumender Mix aus kindischer College-Komödie, bös blutrünstiger Terror-Action und etwas Familiendrama, der non-stop fesselt.

180 Minuten Popvideo:

Jeder Hintergrundton, jede Kameraeinstellung wird auf maximale Wirkung aufgepumpt – bis zum Bersten und in Extremzeitlupe. Die völlig übertriebenen, dabei jederzeit lässig selbstironischen Kämpfe sind bombastisch inszeniert (Fahrradrikscha im Feuersturm! Shah Rukh Khan im Freiflug überm Collegedach!).

Trotz verlorener Brüder, erschossener Väter, abtrünniger Ehefrauen und ach so heimlicher Liebe drückt Main Hoon Na (2004) weniger auf die Tränendrüse als bekannte Bollywoodschinken wie Kuch Kuch Hota Hai, Khabi Khushi Kabhie Gham und viele andere Stücke: die Darsteller in Main Hoon Na halten zuviel launige Distanz – und Tränendrüsenchefförderer Karan Johar (KKKG, KKHH) war diesmal nur als Shah-Rukh-Khan-Einkleider dabei (im Abspann zu sehen).

Die Schauspieler:

Auch Shah Rukh Khan spielt im Spaßmodus und dackelt und trieft nicht übertrieben. Sogar ausgesprochen bekloppte Klischee-Karikaturen wie der spuckende Physiklehrer, der vergessliche Direktor oder die schrille Hindilehrerin nerven weniger als in anderen Filmen.

Miss Universe (1994) Sushmita Sen als betörende, bauchfreie Chemielehrerin in Designersaris und farblich abgestimmten Heftmappen von Bollywood-Chefeinkleider Manish Malhotra erinnert etwas an die an- und ausziehende Lehrerin in Mera Naam Joker (Simi Garewal, 1970, ebenfalls in Darjeeling). Interessant Amrita Rao als kesse, westlich orientierte Oberschülerin; in Welcome to Sajjanpur (2008) spielt sie genauso überzeugend eine scheue Dorfmagd, die kaum den Schleier lupft.

Und Naseeruddin Shah? Wie immer kernig-kompetent. Kiron Kher schüttelt mal wieder eine warmherzige Mutter aus dem Ärmel.

Die Regie-Debütantin, aber erfahrene Choreographin Farah Khan arrangierte blendende Tänze für Main Hoon Na – Ich bin immer für dich da!, bis heute mit das Beste auf der Bollyleinwand. Wie immer kümmert sie sich nicht nur um beeindruckende Schritte, sondern auch um richtige Kameraführung und mehrschichtige Raumaufteilung.

Main Hoon Na hat aber auch deutliche Nachteile:

  • einige wirklich böse Gewalt
  • gelegentlich pathetisch-patriotisches Gesülze und flachste Militärverherrlichung
  • Zayed Khan als junger Bruder Lucky/Laxman spielt mit Betongrinsen, ohne Zwischentöne und Mitfühlpotential, mit dauer-ungewaschener Zottelmähne; der ursprünglich vorgesehene Hrithik Roshan (einen MHN-Drehtag schon dabei) hätte besser gepasst. Zayed Khan ist Roshans Schwager und hatte nach MHN keine wichtige Rolle mehr
  • wie mehrere Kritiker schrieben: die Musik in MHN beeindruckt nur wegen der Bebilderung. Anu Maliks Stücke klingen für seine Verhältnisse gut, verblassen aber gegen die Nummern von Vishal-Shekar und Pyarelal in Farah Khans Nachfolgearbeit Om Shanti Om (2007)

Gleichwohl: Main Hoon Na (“Ich bin da” oder sinngemäß “Ich kümmere mich darum”) wurde Indiens zweitgrößter Kassenschlager 2004, nach Veer & Zaara – Die Legende einer Liebe (ebenfalls mit Shah Rukh Khan, und diesmal Saroj Khan als Choreographin). MHN wurde für zahlreiche Preise nominiert, erhielt aber letztlich nur wenig Trophäen, unter anderem für Regie und Musik, aber nicht für Schauspieler.

Apropos Om Shanti Om:

Zwar zeigt Main Hoon Na – Ich bin immer für dich da! mehr Gewalt als Om Shanti Om. Aber der Film kredenzt auch weniger langatmige Monologe und filmi Selbstreferenzen.

Obwohl man auch MHN als heitere Szenenfolge mit vielen filmgeschichtlichen Anspielungen sehen und den größeren Zusammenhang ignorieren kann, hat MHN mehr Zusammenhalt und Handlung als das in Episoden und Epochen zerfallende und durch lange Reden gelähmte OSO.

Zur deutschen Synchronisation:

Die deutsche MHN-Synchronisation bringt unterhaltsame Noten. So lässt sie an einer Stelle Shah Rukh Khan die Capri-Fischer schmettern – sowas gefällt mir.

Doch wie so oft wirken die deutschen Sprecher etwas überbetont und weniger bei der Sache. Die Hindi-Stimmen klingen weit aufregender und lebhafter. Allerdings hat die Hindi-Tonspur einen deutlich schwächeren Klang, auch bei der Musik. Einige Gags versteht man nur mit Hindi-Tonspur und Untertiteln, so das falsche Englisch der Lehrerin Ms Kaker.


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