Rezension Berlin-Roman: Menschen im Hotel, von Vicki Baum (1929) – 7 Sterne

Über weite Strecken eine schwungvolle Satire (von 1929). Schön, wie Vicki Baum die Schicksale verknüpft und einen Reigen wechselnder Begegnungen und Beziehungen auf engem Raum herstellt.

Flotte Handlung:

Die Handlung schnurrt schwungvoll durch wie ein gut aufgezogener Spielautomat, mit immer neuen Wendungen um die immer selbe Achse herum – das Hotel (weit flüssiger als der zu lose Hotelroman Hotel Honolulu von Paul Theroux). Die Personen offenbaren nicht sonderlich viel Seelentiefe, sie erscheinen eher als Spielfiguren, von Baum auf dem Hotelparkett vergnügt hin- und herbugsiert (der Hotelreigen in dieser Epoche erinnerte mich auch an Drei Männer im Schnee von Erich Kästner).

Ähnlich wie in Baums Liebe und Tod auf Bali ist der Ton mild spöttisch bis herablassend. Von ihrem Romanpersonal hält die Baum offenbar nicht viel, sie lästert lieber über die angestrengt krebsenden Existenzen und ist dabei meist unterhaltsam.

Unterhaltsamer Stil – meist:

In der Mitte des Romans verfasst Baum jedoch eine längere, enorm sülzige Liebeszene, gegen die jeder Groschenroman wie ein hartgekochter Krimi klingt. Indes verstand Baum ihren Roman offenbar als Genreparodie, amüsiert sich also nicht (nur) über die Figuren, sondern über den Romantyp.

Der lässig-spöttische Duktus unterhält meist. Das gilt nicht für die Tipp- und Grammatikfehler in meiner KiWi-Ausgabe. Mir ist auch unklar, warum La Baum öfter zwischen Präsens und Präteritum wechselt.

Zur Verfilmung:

Weitgehend in einem Hotel spielend, wirkt der Roman fast schon wie ein erzähltes Theaterstück, und Baum selber schrieb eine von Gustav Gründgens inszenierte Theaterfassung, die auch in Wien und am Broadway lief. Das Stück kam als Grand Hotel schon 1930 auch an den Broadway und wurde 1932 mit Greta Garbo, Joan Crawford und John Barrymore sehr erfolgreich verfilmt.

Dieser Film voll ausdrucksstarker Akteure trifft die Romanatmosphäre gut, trotz kleinerer Änderungen. Alle Szenen außerhalb des Hotels wurden gestrichen. Interessant: Auch diese Hollywoodproduktion spielt in Berlin und nicht etwa in New York, die Figuren behalten ihre deutschen Namen; die Blueray präsentiert den Streifen zudem in exzellenter Qualität, dazu einige Hintergrundberichte und lange Kommentare.

Hotel Shanghai ist anders als Menschen im Hotel:

Ãœbrigens, ich habe von Vicki Baum auch Hotel Shanghai angelesen. Es ist völlig anders, steigt nicht ohne Umschweife in die Handlung ein, sondern erzählt langwierig die Vorgeschichten zahlreicher Akteure – ab der Geburt -, die sich schließlich in der zweiten Buchhälfte begegnen werden.

Das Buch ist weit länger als Menschen im Hotel, der Ton betulicher mit vielen Dativ-es und ohne das amüsante Parlando aus Menschen im Hotel; Hotel Shanghai entstand ca. 1938, als Baum schon in Hollywood lebte, aber wohl noch Deutsch schrieb.

Freie Assoziation:

Menschen im Berliner Hotel anno dunnemals gibt’s auch Emil und den Detektiven.

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